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Die Sammler und die Sammlerin

Mme Varda bückt sich und findet einen Film

Eine Regisseurin, die vor fast fünfzig Jahren auf den ersten Wellen der französischen Nouvelle Vague surfte, die 1994 dem exzentrischen Kinoweisen Monsieur Cinéma zum hundertsten Geburtstag gratulierte, entdeckt mit kindlicher Freude ein neues Spielzeug. Die über siebzigjährige Agnès Varda ist so fasziniert von ihrer Digitalkamera, daß sie selbst dem baumelnden Objektiv-Verschluß einen Platz in ihrem Film überläßt. Auch wenn sie behauptet, diese Bilder seien dem Zufall (genauer: ihrer Schusseligkeit) zu verdanken, gehören sie doch notwendig in dieses Leinwand-Essay, diesen vielstimmigen Hymnus auf eine Leidenschaft. Vardas Reise führt sie in Obstgärten, Weinberge, auf städtische Märkte, Kartoffeläcker, Weizenfelder und immer wieder zu sich selbst, der Sammlerin des Filmtitels, die sprunghaft assoziiert, die alt ist und deren Haar dünner wird. Sie kommt erst an, wenn nicht mehr viel zu holen ist - außer Liegengelassenes, Weggeworfenes, Vergessenes. Für das, was hinter Erntemaschinen und in Mülltonnen (oder nach einem Leben) zurückbleibt, finden sich neue Besitzer: die Sammler.

Ihre Motive sind so verschieden, wie ihre Biographien - Lust, Genügsamkeit, Protest gegen Verschwendungssucht oder einfach ein knurrender Magen. Die Regisseurin begleitet Obdachlose, Hungrige, Bastler und Gierige auf ihren Beutezügen, bückt sich nach herzförmigen Kartoffeln, streckt sich nach Obst, wühlt nach einem leeren Uhrengehäuse. Zwischen Ähren und Gemüse rezitiert ein Jurist Gesetzestexte - rechtlicher Beistand für Vardas Verteidigung einer uralten Tradition, Unterstützung für ihre Klage gegen einen obszönen Überfluß, der selbst noch seine Exkremente eifersüchtig bewacht.

Im Vorübergehen steckt sich Varda Kaputtes und Wertvolles in die Taschen, gruppiert die Findlinge um ihre eigene Person und fügt sie so zu einem Schatz, der nach den Gesetzen des Sammelns geordnet ist - wunderbar schlampig und streng zugleich.

Originaltitel: LES GLANEURS ET LA GLANEUSE

F 2000, 82 min
Verleih: Peripher

Genre: Dokumentation

Stab:
Regie: Agnès Varda
Drehbuch: Agnès Varda

Kinostart: 07.02.02

[ Sylvia Görke ]