Nervös werden pralle Euter ein letztes Mal eingeölt, die rasierten Schwänze baumeln mitsamt auftoupierter Schwanzspitzen zum Takt der Musik, bis schließlich der Preisrichter die Kandidatinnen begutachtet. Der schätzt vor allem „starke, hervorragende Euter“ und „Dairyness.“ Es geht vor allem darum, eine solche Kuh zu sein, die am besten das Image Kuh verkörpert: rund und füllig, viel Milch versprechend, fruchtbar, sauber, mit der Aura von duftenden Wiesen umgeben. Krista ist eine solche „großrahmige Hochleistungskuh“, gekrönt mit dem deutschen Titel „Miss Holstein Of Germany“ und mit eigener Box im Stall.
Antje Schneider und Carsten Waldbauer begleiten die Schönheitskönigin auf ihrem Weg nach dem Ruhm. Denn Erfolg bringt immer harte Arbeit mit sich, auch für eine Kuh. Zuhause im ostfriesischen Landwirtschaftbetrieb der Familie Seeger, die schon seit Generationen Rinderzucht betreibt, bringt Kristas Krönung vor allem eines: Hoffnung auf gewinnbringende Embryos und Nachwuchs. Also ist die Kamera ganz nah bei den nicht glückenden Befruchtungsversuchen dabei, den Gentests, der Entfernung einer Zyste, aber auch bei zärtlichen Momenten zwischen Jörg Seeger und seinem Schatz Krista und endlich, nach langem Bangen, bei der Geburt von Kristas Kälbchen. Nahe, auch zum Schmunzeln einladende Beobachtungen und stimmungsvolle Aufnahmen voll ländlichem Charme lassen die Sympathien spürbar werden, die das Regie-Duo für ihre tierische Protagonistin nebst menschlichen Besitzern hat. Deshalb geraten wohl auch die Seitenblicke auf den Hochleistungsanspruch in der Viehzucht eher milde. Es bleibt im Auge des Betrachters, ob er Kristas Schaulaufen mit prallem Euter eher als Pein oder Rührstück mit Happy End sehen will. Auch der Eventcharakter, der nach Kristas Titelverteidigung auf dem Hofe Seeger einkehrt, kann als geschäftstüchtige Anpassung des Jungbauern an den Lauf der Zeit gelesen werden, als ein lakonischer Abgesang auf die Dorfromantik, die man sich heutzutage eben nur noch als Touristenattraktion leisten kann. Dabei wäre hier durchaus die klare, kritische Frage angebracht gewesen, wohin der Fortschritt die Landwirtschaft überhaupt noch bringen kann.
Nur Krista steht nach ihrer schweißtreibenden Odyssee immer noch am liebsten knietief im Schlamm. Sie schert sich nicht um Abstammung und Geld, nur ihr Kälbchen hätte sie gerne etwas länger behalten, wie sie laut muhend bekundet. Aber daraus wird nichts. Sie soll „abspecken, schön aussehen, durchstarten.“
D 2013, 93 min
FSK 0
Verleih: Aries Images
Genre: Dokumentation
Regie: Antje Schneider, Carsten Waldbauer
Kinostart: 20.03.14
[ Susanne Schulz ]