CH/D 2013, 103 min
FSK 6
Verleih: StudioCanal
Genre: Literaturverfilmung, Drama, Kinderfilm
Darsteller: Moritz Bleibtreu, Fynn Henkel, Waldemar Kobus
Regie: Xavier Koller
Kinostart: 17.04.14
Lisa Tetzners „Die schwarzen Brüder“ ist ein Jugendbuchklassiker, der in seinen besten Passagen die Dichte eines Charles Dickens erreicht. Also voll ist der kraftvollen Figuren, auch in Überhöhungen, samt einer schonungslosen Schilderung sozialer Mißstände und einer ungeheuer dramatischen Geschichte. Die führt ins Tessin des 19. Jahrhunderts. Hier lebt Giorgio, ein Bergbauernjunge. Armut bestimmt das Leben seiner Familie, aber Giorgio ist ein glückliches Kind. Weil er nichts anderes kennt als diese Armut, die für ihn das Normale ist, das von Anfang an Gewohnte. Aber auch, weil er in der ihn umgebenden Natur einen Platz des Trostes, des Gleichgewichts findet. Und schließlich – ganz simpel, wenn auch nicht selbstverständlich – weil er geliebt wird von seiner Familie.
Doch als die Mutter verunglückt, nimmt das Schicksal seinen Lauf: Die lebenswichtige Medizin ist teuer, und wie ein Teufel tritt da dieser Antonio Luini in die Bauernhütte und macht ein Angebot, das man eigentlich nicht annehmen darf. Und zugleich nicht ablehnen kann. So findet sich Giorgio bald in Mailand wieder. Verkauft an Luini, den Kinderhändler, der Buben aus armen Bauernfamilien als Billigkräfte an Kaminkehrer verhökert. Kinder sind die Einzigen, die die Arbeit in engen Schornsteinen verrichten können. Eine Arbeit, die anstrengend und gefährlich ist, wie das Leben hart und entbehrungsreich.
Wie zeigt man in einem Film, einem für Kinder zumal, Armut, ohne daß sie pittoresk aussieht? Es scheint inzwischen unmöglich. Und es ist ein Symptom, denn es erzählt sehr viel über unsere Kultur, in der „Armut“ kaum bis gar nicht thematisiert wird. Nicht in der Literatur, nicht im Theater, nicht im Kino. Und wenn die Ausnahme eintritt, die die Regel bestätigt, dann sieht sie aus wie DIE SCHWARZEN BRÜDER.
Armut, Ausbeutung und das Erwehren dagegen, wenn Giorgio mit anderen Kaminfeger-Kindern den Geheimbund der „Schwarzen Brüder“ gründet – unter der Regie Xavier Kollers wird das zu einem Film hübsch bebilderter Volkstheaterbetulichkeit. Irgendwie auch gemütlich, dieses Elend. Was wieder mal nicht verstanden wird: Es reicht nicht, dem Schurken maskenbildnerisch beeindruckend schlechte Zähne angedeihen zu lassen, um jenen Realismus heraufzubeschwören, der nötig ist, damit sich eine Geschichte „wirklich“ anfühlt. Die Unfähigkeit dazu entspringt mangelnder Empathie. Satt, träge, mal humoristisch grob, mal weinerlich sentimental – ein Film, der mehr über unsere Zeit erzählt, als über die, die er bebildert.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.