D 2024, 109 min
FSK 6
Verleih: Majestic

Genre: Dokumentation, Historie

Regie: Torsten Körner

Kinostart: 29.08.24

5 Bewertungen

Die Unbeugsamen 2 – Guten Morgen, Ihr Schönen!

Wie die DDR-Frau gehärtet wurde

Der ostdeutsche Mensch kennt sich aus mit zweiten Plätzen: Silber im Sprint um die Erstgründung einer neuen deutschen Republik 1949, geschlagen im Dauerlauf gegen die Systemkonkurrenz 1990, hinten anstehen beim Arbeitsamt nach der Wiedervereinigung. Aber dem ostdeutschen Menschen weiblicher Ausprägung geht im Gegensatz zu seinen männlichen Pendants der Ruf voraus, Kränkungen sportlich zu nehmen. „Die Ossi“, wie der Duden die femininen Individuen dieser Spezies gendersensibel nennt, wird es dem Dokumentarfilmer Torsten Körner also nachsehen, sie erst in Teil 2 seiner Betrachtungen zum nachkriegsdeutschen Zoon politikon „Frau“ zu berücksichtigen. Oder?

Immerhin steht dieser „Nachtrag“ seinem Vorgänger von 2020 in Sachen Unterhaltungs- und Bildungswert in nichts nach. Der charmante Nebentitel verdankt sich Maxie Wanders’ literarischem Protokollbuch von 1977, das den Petras, den Susannes und all den anderen Schön- und Freiheitssucherinnen der werktagsgrauen DDR ein eklektisches Denkmal setzte. Wie und warum sich der Arbeiter-und-Bauernstaat stets um die Frauen bemühte, was er ihnen zutraute, manchmal zumutete, wird in einer Art Mentalitätspuzzle aufgefächert. Anders als im bundesdeutschen Teil 1 ergreifen hier nicht nur Politikerinnen das Wort. Hier sprechen Zeitzeuginnen aller gesellschaftlichen Sphären vom Ringen um Satisfaktionsfähigkeit im sozialistischen Arbeits-, Familien- und Liebesleben – darunter die Schriftstellerin Katja Lange-Müller, die Musikerin Tina Powileit, die 1. Blockwalzerin der Maxhütte Katrin Seyfarth, die Schauspielerin Katrin Sass, die Biologin Marina Grasse, ihres Zeichens letzte Gleichstellungsbeauftragte der DDR.

Körner durchwirkt die persönlichen Reflexionen seiner insgesamt zwölf Interviewpartnerinnen mit einem „Wir.“ Idealbilder, die die DDR „uns“ in die volkseigenen Stadtarchitekturen malte, ziehen vorbei. „Unsere“ zupackenden, liebenden und streitenden Wiedergängerinnen aus DEFA-Filmen flimmern herein. Anekdotische und objektivierbare Tatsachen reiben sich, sogar mit Musik. Beim Mitsummen fällt auf, daß Nina Hagens „Unbeschreiblich weiblich“ und Patti Smiths „Dancing Barefoot“ aus Gründen der historischen Genauigkeit wohl eher in einen Wessi-Soundtrack gehört hätten. Aber, wie gesagt, die Ossi ist großzügig.

[ Sylvia Görke ]