Die große Liebe ist schwer begreiflich. Warum sich zwei Menschen zueinander hingezogen fühlen, hat nichts mit Logik zu tun. Dann überlagert das Gefühl den Verstand, ein Zustand, der so intensiv wie kein anderer und dabei manchmal kaum auszuhalten ist. Das passiert Suzanne, als sie Julien bei einem Pferderennen trifft. Der große Fremde fasziniert sie. Wie zwei unsichere Kinder schleichen sie bei ihrem ersten Treffen umeinander herum. Es gibt nicht viel zu bereden, liegen die Dinge doch klar auf der Hand. Es tut schon weh, dieser bedingungslosen Liebe beizuwohnen, die Regisseurin Katell Quillévéré in wunderschönen Kameraeinstellungen bebildert – und für die Suzanne ihr gesamtes Leben an den Nagel hängt.
In großen Ellipsen erzählt Regisseurin Quillévéré 25 Jahre Leben einer jungen Frau. Mit zum Teil nur einer Einstellung werden mehrere Monate oder gar Jahre erzählt, ohne daß biographische Leerläufe entstehen. Vielmehr verdeutlicht dieses Weglassen, wie brutal sich Geburt und Tod ins Leben schneiden, wie nachhaltig sie es verändern. Schwester Maria und Vater Nicolas müssen mit Suzannes Lebenswandel erst einmal zurechtkommen, hatten sich die drei doch über viele Jahre scheinbar in ihrer kleinen glücklichen Welt eingerichtet. Weil der alleinerziehende Vater viel unterwegs war, mußten die Mädchen früh lernen, auf sich aufzupassen.
Gerade der Kindheit entwachsen aber beginnt Suzanne, großartig gespielt von Sara Forestier, sich schutzlos von einer emotionalen Grenzerfahrung in die nächste zu werfen. Jedes Mal steht sie vor neuen Trümmern und muß sich fragen, ob das neue Glück die Schmerzen des alten aufwiegt. Suzannes Verlorenheit in der Welt hängt mit der Mutter zusammen, die sie nie hatte, und die sie deshalb auch erst mal nicht sein kann. Julien füllt nun diesen großen Mangel an Liebe, und je mehr sich Suzanne zu ihm hingezogen fühlt, desto stärker versucht sie, sich gegen diese Übermacht der Gefühle zu wehren.
SUZANNE ist ein tiefberührender Film über die Suche nach Geborgenheit und den Platz, den uns das Leben zuschreibt. In rauhen und schönen Bildern zeichnet die Regisseurin die 80er und 90er Jahre in Frankreich. Vor allem aber: Sie urteilt nicht über ihre Protagonistin, die jene, die sie am meisten lieben, zurückläßt. Das ist das Besondere an dem Film und gehört neben der Liebe zu den schwierigsten Dingen im Leben: Daß man die Entscheidungen anderer nachvollziehen kann, so abwegig sie auch sein mögen.
Originaltitel: SUZANNE
F 2013, 94 min
FSK 12
Verleih: Arsenal
Genre: Drama
Darsteller: Sara Forestier, Francois Damiens, Paul Hamy
Regie: Katell Quillévéré
Kinostart: 19.06.14
[ Claudia Euen ]