Originaltitel: THE BEGUILED

USA 2017, 94 min
FSK 12
Verleih: Universal

Genre: Drama, Erwachsenwerden, Thriller

Darsteller: Nicole Kidman, Kirsten Dunst, Colin Farrell, Elle Fanning

Regie: Sofia Coppola

Kinostart: 29.06.17

7 Bewertungen

Die Verführten

Sofia Coppolas schöne böse Welt

Das Unglück, behauptete mal ein alter, fernöstlich gefärbter Existenzphilosoph, habe sich durch die Sinnesempfindungen in die Welt geschlichen. Weshalb es besser sei, die Sinne abzutöten, sich einer „göttlichen Willenlosigkeit“ zu ergeben, im „Verschwinden der eigenen Begierden“ zu bergen. Askese als Notwehr.

Vielleicht hätte sich John McBurney auf die Art einiges ersparen können. Es ist das dritte Jahr des Amerikanischen Bürgerkrieges, als sich sein Schicksal zu erfüllen scheint. Von seinem Regiment getrennt und schwer verletzt, scheint es im von Südstaatentruppen kontrollierten Virginia eigentlich nur noch zwei Optionen für ihn zu geben: verbluten oder vom Feind gefunden und erschossen werden. Gefunden wird McBurney stattdessen von der 12jährigen Amy – und liegt wenig später umhegt, gepflegt und nicht zuletzt auch umworben in der einsamen, verwunschenen Villa eines Mädchenpensionats. Gerettet im Paradies weiblicher Verheißung.

Die Vertreibung aus diesem Paradies ist dann freilich eine der höllischen Eigendynamik. Ja, die Sinne, die Begierden, das Unglück, das sie bringen. Schon einmal wurde diese Geschichte nach einem Roman Thomas Cullinans verfilmt. 1971, von Don Siegel, mit Clint Eastwood, der in der Rolle des McBurney ganz Eastwood-like ein Mann der Tat und Oberhand war. Ein Manipulator, der dann indes auf recht perfide Art Opfer seiner Manipulationen wurde.

Dieses Perfide trägt jetzt auch Sofia Coppolas Neuaufbereitung des Stoffes in sich. Nur stülpt sie diesen Stoff um, faltet das Thrillerhafte nach innen und läßt, von außen betrachtet, die Geschichte in geradezu giftig berauschender Schönheit und aller Ruhe wirken. Getränkt ins Virginia-Licht, geschmackvoll komponiert, zugeknöpft erotisch – reine Heimtücke der Verführung! Bei Coppola ist die Manipulation eine der umgekehrten Vorzeichen. Ihr McBurney ein Mann, der von Anfang an verloren ist. Schlicht, weil er Mann ist. Das heißt, den Schwanz natürlich nicht in der Hose behalten kann. Um es mal mit weniger Philosophie zu sagen.

Ohne zu postulieren, zeigt Coppola eine wahrlich schöne böse Welt. Schön auch, weil Frauen hier eben keine Opfer sind. Und alles andere als Heilige. Das wirklich Verführerische dieses Films ist aber etwas anderes; etwas, das ihm die (zumal männliche) Kritik partiell schon ankreidete: eben dieses erzählerisch stille Gleichmaß, das beunruhigend wirkt, gerade weil es auf jeden Hauch des Spekulativen wie Moralischen verzichtet.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.