D 2021, 109 min
FSK 12
Verleih: Filmwelt
Genre: Tragikomödie
Darsteller: Emilia Schüle, Günther Maria Halmer, Fabian Hinrichs, Anna Stieblich
Regie: Nadine Heinze, Marc Dietschreit
Weniger ist mehr? Das mag ja im Einzelfall stimmen, generell sagt die schnöde realistische Logik aber: Mehr ist mehr. Entsprechend gelingt eben erst mancher konsequenten Überhöhung, Schmerzpunkte zu treffen. Hier gesehen (und geschehen!) am Beispiel Almuts, schwer verbiesterte Tochter des demenzkranken Curt und bereits seit gefühlter Ewigkeit zur Vaterpflege verdonnert. Es reicht, Almut holt zu Entlastungszwecken Marija aus der Ukraine, zukünftige Sklav … pardon … Hüterin des Hauses. Ein erschrockener Blick auf die Liste verbotener Dinge entdeckt unter anderem Besuch, Heimatanrufe, von Nägeln verunzierte Wände, „Schnickschnack“ im Kühlschrank, Make-up, nicht potthäßliche Unterwäsche. Weiterhin muß Curt gegen seinen Willen turnusmäßig sowohl das Gesicht gecremt als auch ein betthupferlnder Keks reingewürgt werden, Almuts selbstmitleidiges Gezeter gibt’s dazu.
Zwischen – natürlich – Blümchentapete und verglasten Türen spielen sich fortan tragikomische Schlachten ab, wobei Curt primär katalysatorische Funktion erfüllt, Reaktionen der beiden konträren Damen provoziert, bis Almut aus der Handlung scheidet. Marija schnauft durch, der Film stellt derweil gänzlich neue Weichen, läßt den Erkrankten im Glauben, die für ihn Sorgende wäre seine verstorbene Gattin. Was zu wunderbar respektvoll heiteren Situationen führt, wie eine vermeintliche Buffet-Eröffnung zum Hochzeitstag, welche Curt für wildfremde Menschen vornimmt. Längst gingen außerdem sämtliche Zweifel verloren, Emilia Schüle könne dem schüchternen Charakter, der so zurückgenommenen Rolle nicht gewachsen sein – sie leuchtet regelrecht. Und trägt darüber hinweg, daß eher sympathisches Abbilden denn klares Erzählen nun stilistisches Mittel sein soll, gewisse Ziellosigkeit inbegriffen.
Möglicherweise kamen dem Regie-Duo diesbezüglich Bedenken, jedenfalls ruft Almuts Schicksal Bruder Philipp und hernach sie persönlich wieder herbei. Es folgt eine zweite Neuausrichtung, allerdings ohne nötige Feinjustierung, die Kurve hin zum von Thrillerelementen gestützten Psychodrama gerät dann doch gefährlich eng gezimmert. Zu eng, richtiger formuliert, das filmische Vehikel verliert auf aus Verbitterung, Rachsucht und psychischen Unwuchten zusammengerührten Matsch den Grip, brettert direkt in fast schon geschmacklos schmierige Abgründe. Tatsache: Da wäre weniger echt mal mehr gewesen.
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...