Manche Menschen kriegen ja schon die Krise, wenn sie ihre verwöhnte Katze oder den anhänglichen Köter für mehr als eine Woche zu Hause allein lassen müssen, um sich zur Abwechslung selber mal am Hotelbuffet durchfüttern und in der Reisegruppe Gassi führen zu lassen. Das schlechte Gewissen, daß nur der Nachbar ab und zu bei ihrem Liebling vorbeischaut, kann dieser Sorte Tierliebhaber glatt die eigene Alltagsauszeit ruinieren. Solche tiersensiblen Zeitgenossen sollten sich dringend einmal diesen originellen, semi-dokumentarischen Tierfilm aus Frankreich ansehen, denn hier geschieht, wovon so manches Anarcho-Haustier wahrscheinlich heimlich träumt:
Auf einem Bauernhof im ländlichen Frankreich muß der alleinherrschende Bauer überraschend ins Krankenhaus, weil er in seiner bäuerlichen Sturköpfigkeit eine Erkältung mächtig verschleppt hat. Seine Tiere bleiben allein zurück. Und nach anfänglichem Zögern, ob nicht doch Big Bauer sie noch beobachtet und gleich die strafende Mistgabel schwingt, erobern die Haustiere mehr und mehr den Hof und brechen aus ihrer domestizierten Rolle aus. Die Hausschweine gehen die artverwandten Borstenträger im Wald besuchen, die Mäuse brechen den Medikamentenschrank auf und schmeißen sich was ein, und die Katze geht auf Goldfischjagd. Vor allem den jüngsten Zuschauern dürfte das Schauspiel der sich auf Menschenterritorium austobenden Vierbeiner große Freude bereiten, spiegelt das wilde Treiben auf dem Bauernhof doch sicher auch die Phantasien des Nachwuchses wider, was man so alles anstellen könnte, wären die lieben Eltern mal länger außer Haus.
Natürlich ist auch für Letztere etwas dabei in dieser filmischen Auslebung Orwellscher Vorstellungen. Neben wirklich lustigen Situationen und unterschwelliger Zivilisationskritik erhält der Zuschauer jeden Alters nämlich einen völlig neuen Blick auf scheinbar altbekannte und, zumindest für Landlebenerprobte, vermeintlich oft genug gesehene heimische Tierarten.
Ein kleiner Dämpfer fürs Publikum über das Vorschulalter hinaus dürfte die Kommentarstimme von Telenovela-Sternchen Luise Bähr sein, die überall da pseudo-schlau daherschwafelt, wo auch filmemacherisch echte Wildheit hätte entstehen können. Und trotzdem: DIE WILDE FARM bleibt ein unterhaltsames Dokfilm-Unterfangen mit löblich pädagogisch wertvollem Kern.
Originaltitel: LA VIE SAUVAGE DES ANIMAUX DOMESTIQUES
F 2009, 89 min
FSK 0
Verleih: Polyband
Genre: Dokumentation, Abenteuer, Schräg
Stab:
Regie: Dominique Garing, Frédérique Goupil
Drehbuch: Dominique Garing, Frédérique Goupil
Stimmen: Luise Bähr
Kinostart: 09.09.10
[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...