Da hat ein Kurzfilm namens „Minuscule“ aber die Evolutionsleiter im Sauseschritt erklommen: Erst wurde aus ihm eine unglaublich erfolgreiche (auch in Deutschland erhältliche) Serie, jetzt mausert sich das kleine Ding sogar zum Kinoabenteuer, welches das Regie-Duo mit bewundernswertem Selbstbewußtsein als „DER HERR DER RINGE in der Welt der Insekten“ ankündigt. Okay, so viel Liebe zum eigenen Projekt ist ja beeindruckend, aber wir wollen doch auf dem Boden bleiben. Oder eben der Wiese.
Und dort geht’s hektisch zu: Überall quietscht’s, brummt’s, hupt’s, weil immer Hauptverkehrszeit herrscht – wen wundert’s, schließlich sind derzeit über den Daumen eine Million Insektenarten bekannt, und wenn nur ein Bruchteil davon gleichzeitig rumflattert, wird es halt eng über den Gräsern. Mittendrin hat ein Baby-Marienkäfer traurigerweise seine Familie verloren, aber dafür eine vergessene, gut gefüllte Zuckerdose gefunden. Diese wiederum erregt schnell die Aufmerksamkeit schwarzer und roter Ameisen. Große Koalition fällt allerdings flach, es entbrennt ein – teils wortwörtlich – heißer Kampf um das süße Prachtstück, unser lüttes, bald spontan den Heldenanzug überstreifendes Käferchen mittendrin ...
Kenner der immerhin 78teiligen Serie wissen schon, was sie nun erwartet: Rein optisch atemberaubend schöne Naturaufnahmen, denen drollige Animationen hinzugefügt wurden, akustisch durch Geräusche aller Art substituierte Schweigsamkeit (ja, zum Glück reden die Tierchen kein einziges Wort), und inhaltlich darf man sich auf Niedlichkeiten am laufenden Meter freuen. Ist ein niesender Marienkäfer herzig? Was für eine dumme Frage! Den schon allein wegen ihres fiesen Lachens negativ auffallenden Schmeißfliegen hingegen möchte man nur zu gern mal den Pantoffel um die Facettenaugen hauen.
So breitet sich ein wahrer Spielplatz voller Entdeckungen auf der Leinwand aus, unterhält vorrangig die Kleinen bestens, bietet manchmal gar spannende Szenen und weiß herrlich skurrile Details einzuflechten, beispielsweise zu Verteidigungszwecken zweckentfremdetes Aspirin. Leider trotzdem: Um die dürre Handlung zu kaschieren, stammt einiges fast 1:1 aus den 78 Vorlagen, weshalb bei Eingeweihten Déjà-vus kaum ausbleiben; insgesamt gerät die Streckung auf Spielfilmformat indes auch für Neulinge irgendwann zur mehr oder weniger deutlichen Geduldsprobe. Nicht alles Kurze macht auch langgezogen adäquaten Spaß ...
Originaltitel: MINUSCULE – LA VALLÉE DES FOURMIS PERDUES
F/Belgien 2013, 89 min
FSK 0
Verleih: Pandastorm
Genre: Computeranimation, Natur, Kinderfilm
Stab:
Regie: Thomas Szabo, Hélène Giraud
Drehbuch: Thomas Szabo, Hélène Giraud
Kinostart: 14.01.16
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...