Originaltitel: THE WOUND
Südafrika/D/F/NL 2017, 88 min
FSK 16
Verleih: Salzgeber
Genre: Schwul-Lesbisch, Drama
Darsteller: Nakhane Touré, Bongile Matsai, Niza Jay Ncoyini
Regie: John Trengove
Kinostart: 14.09.17
Wann ist der Mann ein Mann? Bei den Xhosa in jedem Fall erst dann, wenn er das Ukwaluka-Ritual überstanden hat. Eine Initiation, identitätsstiftend nicht zuletzt gerade in Zeiten, in denen alles sich zu ändern scheint, in denen die Modernität die Überlieferungen zerfrißt, die Wurzeln porös werden läßt. So wie bei Kwanda, dem 17jährigen aus Johannesburg. Für zu modern, und das heißt, für zu weich, hält ihn dessen Vater. Weshalb er sich an Xolani wendet. Der arbeitet eigentlich in einer Fabrik und ist zugleich ein sogenannter Caregiver, eine Art Mentor, der junge Xhosa-Männer durch die Initiation des Ukwaluka begleitet. Die beginnt mit einer recht schmerzhaften Beschneidungszeremonie und mündet in eine Zeit des Rückzugs in die angestammten Bergregionen der Xhosa, fernab der Städte, der Zivilisation. Dort treffen sich mehrere Caregiver und ihre Schützlinge zu einer achttägigen Männer-Gemeinschaft. Zu der gehört auch Vitcha. Ein Caregiver wie Xolani – und dessen heimlicher Geliebter.
Schmerzen zeigen und wie man sie unterdrückt – das gilt hier fürs Rumsäbeln an Geschlechtsteilen wie für Gefühle, die verdammt weh tun, weil man sie nicht haben darf. John Trengoves DIE WUNDE erzählt von einer Zerrissenheit, die tatsächlich wie eine Wunde klafft. Einer Wunde, die nicht heilen, und ein Dilemma, so ausweglos, daß es nur in der Tragödie enden kann. Zwischen Tradition und Identität, den Prägungen der Gemeinschaft, der man zugehörig ist und zugehörig sein möchte, und Gefühlen, die diese Zugehörigkeit unmöglich machen, reibt sich in diesem Film dabei nicht nur Xolani auf. Der, Vitcha und Kwanda bilden bald die Eckpunkte eines unheilvollen Beziehungsdreiecks, eines Spannungsfeldes, das von Trengove immer mehr verdichtet wird. Bis zur Kollision. Bis zum Opfer. Einem, das keinen erlösen wird.
Roh, schmucklos, nah dran ist das erzählt. In mehrfacher Beziehung schmerzhaft direkt. Kein Film, der es sich leicht macht mit Identifikationsfiguren oder einer moralischen Position, auf die man sich auch als Zuschauer zurückziehen kann. Das Rezeptionsbesteck des aufgeklärten Toleranz-Westlers ist nicht scharf genug, diese fatale Verstrickung namens „Kultur“ aufzudröseln. Auf welche Art aber „Kultur“, „Tradition“, „Prägung“ oder wie auch immer man es nennen will, Liebe und Leben strangulieren können, offenbart dieser Film in stiller Rigorosität. Als Tragödie ohne die Gnade der Katharsis.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.