Originaltitel: LA FILLE COUPÉE EN DEUX
F/D 2007, 118 min
Verleih: Concorde
Genre: Drama, Liebe
Darsteller: Ludivine Sagnier, Benoît Magimel, François Berléand
Regie: Claude Chabrol
Kinostart: 10.01.08
Es ist wie ein Familientreffen, eines der angenehmeren Art wohlverständlich. Jahr für Jahr lädt uns Meister Chabrol ein, in das Universum bürgerlicher Befindlich- und Abscheulichkeiten zu blicken, teilzuhaben am destruktiven Miteinander, am Skelettieren des unversiegbar Primitiven im Menschen. Chabrol ist einer, der zynisch nicht aus Selbstzweck ist, sondern aus Erkenntnis. Die darf auch simpel sein, denn so ist nun mal der Mensch, die kann auch darin gipfeln, daß wir eben alle nackt geboren werden.
Paul Gaudens war nicht nur nackt, sondern hatte auch den berühmten Silberlöffel im Allerwertesten, Mami und Papi reich, die Schwestern entsprechend verzogen, und Paul selbst scheint der Inbegriff eines arroganten und zugleich zutiefst verunsicherten Schnösels zu sein. Die Gründe für dessen Zerrissenheit flicht Monsieur Chabrol subtil ins Geschehen. Vorher aber packt sich dieser Paul der schönen Wetterfee Gabrielle in den Weg, es sei um ihn geschehen, sie müssen unbedingt essen gehen, blahblahblah ... Essen werden sie auch gemeinsam, und der Tor wird ihr zum Schluß doch recht frühzeitig seine unerschütterliche Liebe gestehen. Das war nicht nur zu eilig, es war auch unnötig, denn Gabrielle hat ihr Herz längst einem älteren Schwerenöter auf die Laken gelegt: Charles, Schriftsteller, eigentlich ein ziemlich dekadentes Miststück. Dessen Leben zirkelt neben sich gut verkaufenden Worten - er ist ein selbstbekennender Meister der Schüttelreime, Anagramme und Zitate - vor allem um schöne Frauen und Orgien in den Hinterräumen eines Zigarrenclubs. Charles ist ein in der Tat nicht uninteressanter Pendler zwischen den Welten, zwischen Puritanismus und Dekadenz, zwischen Paris und Lyon, zwischen Ehefrau und Mädeltrophäe. In Paul kocht die Wut, auf seine Unzulänglichkeit, seine Vergangenheit, vor allem auf Charles, diesem grauen Fuchs. Pauls Rache wird eine blutige sein ...
Film Nr. 56 und noch immer ist Verlaß auf den Meister des Verkommenen: einzigartig, wie er es immer wieder schafft, neu aus dem Zwischenreich des Perfiden, der Niedertracht und - ja, weil Geld auch ordinär ist - des Vulgären zu erzählen. Seine Figuren benehmen sich wie unartige Kinder, die nicht in der Lage sind, den zweiten Schritt vor dem ersten zu erahnen. Chabrol ist augenzwinkernd, ironisch, lästernd, hat aber dennoch Verständnis für die Schwächen seiner irritierten Helden: es ist sicher nicht ohne Pathos, aber auch so treffend, wenn ein vom Leben und weiblicher Zuneigung verwöhnter Bonvivant wie Charles ratlos auf der Couch zusammensackt, den cognac obligatoire in der Hand und Julien Clerc im Ohr ...
Dieser Charles wird von dem oft unterschätzten François Berléand gespielt, einer der ganz Großen des französischen Kinos. Wie er hier wieder schleicht, lauert, die schmalen Lippen schürzt. Incroyable! Ohnehin diese Mimen - Chabrol war ja schon immer ein hervorragender Schauspielerregisseur: toll was er aus einem Hauruck-Akteur wie Benoît Magimel herausholt, wie dieser aus einem Wohlstandsekel einen verletzten Menschen aus Fleisch und Blut formt. Das Täubchen, wie die von einer engelsgleichen Ludivine Sagnier gegebene Gabrielle immer wieder genannt wird, hat tatsächlich die Fäden in der Hand. Nicht aus kühlem Kalkül, aus einer gewissen herzrührenden Naivität. Diese bringt ihre Männer fast um den Verstand, schneller noch ins Grab oder in den Knast, sie am Ende aber auch ums Geld. Dafür aber hält Chabrol einen Schluß parat, den Woody Allen nicht zauberhafter hätte inszenieren können.
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.