Originaltitel: DE TWEELING
NL 2002, 131 min
Verleih: Kinowelt
Genre: Drama, Literaturverfilmung, Historie
Darsteller: Nadja Uhl, Thekla Reuten, Gudrun Okras, Ellen Vogel, Roman Knizka
Regie: Ben Sombogaart
Kinostart: 07.10.04
Geschichten über Zwillinge, die getrennt werden und sich wiederfinden, kann man sich emotional nur schwer entziehen. Das wußte Erich Kästner genau so gut wie Tessa de Loo, nach deren Bestseller hier gefilmt wurde. Anders als bei Kästner sind Anne und Lotte keine eineiigen Zwillinge, es kommt also nicht zu Verwechslungen, und die Streiche spielt das Leben.
Nach dem Tod des Vaters werden die Mädchen von den verfeindeten Stieffamilien zunächst mal grausam auseinander gerissen und treffen sich erst als junge Frauen wieder. Doch die Grundkonstellation bleibt: zwei Mädchen mit gleicher Anlage wachsen unter verschiedenen Verhältnissen auf. Anna bäuerlich und grob in Nazi-Deutschland, Lotte verhätschelt im neutralen Holland. Die eine heiratet einen feschen und (nanu?) liebenswerten SS-Mann. Die andere verlobt sich mit einem schlagfertigen und noch liebenswerteren jüdischen Musiker. Beide Männer sterben, einer den Heldentod, der andere in Auschwitz. Und da verbannt Lotte Anna für immer aus ihrem Leben.
Doch so einfach ist das natürlich nicht: Anna ist ja genau so gut wie Lotte und leidet genau so sehr, sie ist nicht Schuld an Davids Tod, nicht an den Umständen usw. Aber da sind wir schon mitten in der wohlmeinenden Botschaft des Filmes. Die wird mehrfach auf dem silbernen Tablett serviert. Viel Eigeninitiative will man dem Zuschauer offenbar nicht einräumen. In schönste NaziHistorienfilm-Ästhetik entrückt, alles leicht kaffeebraun getönt und jedes Löckchen sitzt, wird die Geschichte sauber abgerollt, und die Musik geigt im dramatischen Übereifer hinterher. Parallel verbalisieren Anne und Lotte als Achtzigjährige noch einmal alles. Denn als echte Zwillinge raufen sie sich am Ende doch noch zusammen. Das ist mit den alten Damen in einer Mischung aus Holländisch und Deutsch als Jagd durch den Wald nicht uncharmant in Szene gesetzt.
Überhaupt, die Zwillingsschauspielerinnen entschädigen für einiges. Und da die Zwillinge in drei Lebensaltern auftauchen, werden wir insgesamt sechs mal entschädigt.
[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...