Originaltitel: SHEYTAN VOJUD NADARAD

D/Tschechien/Iran 2020, 152 min
FSK 12
Verleih: Grandfilm

Genre: Episodenfilm, Drama

Darsteller: Ehsan Mirhosseini, Kaveh Ahangar, MohammadValizadegan, Baran Rasoulof

Regie: Mohammad Rasoulof

Kinostart: 19.08.21

1 Bewertung

Doch das Böse gibt es nicht

Abgestraft!

Das iranische Kino ist eines der Abwesenheiten. Filme entstehen dort oftmals geheim und logistisch versteckt, werden dann in der Heimat gar nicht erst gezeigt, jedoch, abenteuerlich außer Landes gebracht, auf internationalen Festivals gern gesehen und prämiert. Nur bleiben die Stühle der geladenen Gäste leer. Die Diktatur schickt ihre Kinder nicht in die Welt, eher ins Gefängnis.

Mohammad Rasoulof, der trotz angedrohter und vollzogener Strafen immer wieder in den Iran zurückkehrt, zur Sicherheit aber seine Familie vor zehn Jahren schon in Hamburg stationierte, ergeht es nicht anders als Kollegen wie Jafar Panahi. Als es auf der Berlinale im Februar für DOCH DAS BÖSE GIBT ES NICHT den Goldenen Bären gab, nahm Tochter Baran die Trophäe entgegen. Sie selbst spielt mit.

Kunst und Politik, Systemkritik und Menschenliebe, Pflicht und Schuld, Hürden überall – all das verschmilzt im iranischen Kino auf besondere Weise. Zu behaupten, es erschwere nicht manchmal eine vorurteilsfreie Bewertung, käme nur der halben Wahrheit gleich. Mit genauem Blick offenbart auch DOCH DAS BÖSE GIBT ES NICHT Schwächen, die aufgrund seiner episodischen Struktur noch deutlicher werden, Längen vor allem, die in 150 Minuten eben auffallen und diesmal durch Landschaften und einen feinen Mix aus Laien und professionellen Darstellerinnen und Darstellern nur bedingt kompensiert werden können.

Es geht um die Todesstrafe, nicht als plumpe Anklage, sondern wie sie Moral und Verstand beeinflussen kann und noch das Privateste unterminiert. In vier Teilen erzählt Rasoulof von einer Familie, die im Alltag als warmherziges Vater-Mutter-Kind-Oma-Konstrukt funktioniert, obwohl das Geld auf eigene Art in die Haushaltskasse kommt. Zeigt einen Soldaten, der bald zum ersten Mal „den Hocker umstoßen“ soll, nie aber einen Menschen umbringen wollte. Oder die Liebenden Javad und Nana, die in den Wäldern über Teheran nur Geburtstag feiern wollten, den dann aber der Tod eines nahen Bekannten überschattet. Auch der Besuch seiner in Deutschland lebenden Nichte wird für einen Arzt dunkle Momente der Wahrheit bringen, die ihren Ursprung in der Unfreiheit von Heimat haben.

Die Krux mit Episodenfilmen ist, daß sie in sich homogen sein müssen. Spannungsabfälle der Segmente untereinander sind kritisch. Hier steht der inhaltlich schwächste, weil vorhersehbarste Teil am Schluß.

[ Andreas Körner ]