Originaltitel: DONBASS

Ukraine/D/F/NL 2018, 121 min
FSK 12
Verleih: Salzgeber

Genre: Drama, Episodenfilm

Darsteller: Boris Kamorzin, Valeriu Andriuta, Tamara Yatsenko, Ljudmila Smorodina

Regie: Sergej Loznitsa

Kinostart: 30.08.18

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Donbass

Zu Besuch in der Hölle

Der Bürgerkrieg in der Ostukraine ist aktuell aus den Medien und damit auch aus vielen Köpfen verschwunden. Dabei kann von Lösung keine Rede sein. Sergej Loznitsa bringt nun mit DONBASS den Konflikt auf unsere Kinoleinwände. Sein Film tut weh, er ist geradezu eine Tour de Force, doch sollte man sich ihm trotzdem aussetzen. Obwohl fiktional in der Form, legt er etwas vom Wesen dieses Krieges frei, das sich so nicht in Medienberichten und Nachrichtenbildern ausdrücken läßt. 

In 13 Episoden erzählt der selbst aus der Ukraine stammende Regisseur meisterhaft von einem kriegsversehrten Land, in dem die Gesetze des Rechts und der Menschlichkeit nicht mehr gelten. Der Zivilisationsfirnis ist abgebröckelt, darunter kommt das altbekannte Recht des Stärkeren zum Vorschein. Man wird unmittelbar in die nur sehr lose zusammenhängenden Geschichten geworfen, die genauso abrupt enden, wie sie beginnen. Da sind die Schauspieler, die in einem Trailer geschminkt werden, um anschließend als Opfer einer inszenierten Anschlagsszene aufzutreten. Oder der deutsche Journalist, der an eine Söldnertruppe unbekannter Herkunft gerät. In einem Keller hausen Menschen unter primitivsten Bedingungen. Ein Bus wird von Bewaffneten angehalten, und die Männer unter den Passagieren werden von einer derben Offizierin angeschnauzt, warum sie nicht für ihr Vaterland kämpfen. Eine absurde Hochzeitsfeier im Neuen Rußland – so nennt sich die abgespaltene Ostukraine – gerät gespenstisch aus den Fugen. In der dramatischsten Episode wird ein Mann als Kollaborateur von Bewaffneten an den Pranger gestellt. Der entfesselte Mob beschimpft ihn und greift schließlich zur Selbstjustiz. Die Kamera verharrt schmerzhaft lange auf dieser Szene. So offen wie hier zeigt Loznitsa selten Gewalt, gleichwohl ist sie latent in jeder Einstellung spürbar. 

Der mittlerweile in Berlin lebende Filmemacher gibt in DONBASS keine Erklärungen für die Gründe des seit 2014 andauernden Konfliktes. Er zeigt, was ist, und macht dabei keine Zugeständnisse ans Publikum: Es gibt weder Fluchten noch Aufatmen. Mehr noch: Es gibt bei Loznitsa keinerlei Gewißheit mehr über die Unterscheidbarkeit von Realität und Inszenierung, beides fließt ineinander. Das ist die beunruhigendste Botschaft seines Filmes. Die einzige unbestrittene Realität ist der Tod, er kommt oft und unvermittelt.

[ Dörthe Gromes ]