He’s Back! So einfach. Tom Tykwer. Er ist wieder in der Stadt, in den Leben, bei den Menschen. Ohne diesen eitel inszenierten, frostblauen Metropolenschick, ohne diese requisitenbrave Bestsellerlast unter der Eichinger-Fuchtel, er ist wieder bei sich. Er ist wieder ein auteur. Einer, der von Menschen und deren Leben erzählt. Und er macht dies so, wie nur Tykwer es tut: Im Kontext orchestriert mit noch immer zeitloser Musik aus eigener Feder und der von Johnny Klimek, noch immer im Splitscreen, noch immer mit fabelhaften Darstellern. Und trotzdem ist einiges neu, Tykwer kann nämlich auch komisch. Und wie! Diese neue Facette steht ihm bestens, quasi raus aus dem Labor und unters sich nach Leben, Lachen und Weinen sehnende Volk gemischt. Denn genau das ist doch erzählenswert, zum Beispiel die Geschichte von Hanna und Simon. Von Adam und Hanna. Und von Simon und Adam.
Diese multiple Konstellation wird von Tom Tykwer auf wunderbar elliptische Weise konstruiert, bleibt dennoch nachvollziehbar, das Leben ist eben manchmal lückenhaft. Dabei sind Hanna und Simon seit 20 Jahren zusammen, ja auch glücklich, vor allem aber zusammen. Daß ausgerechnet der Stammzellenfoscher Adam, dem Hannah auf einem Kongreß an den Lippen klebt, bei ihr Fantasien mit Jeff Koons-Touch auslöst, schiebt die kluge Frau lässig auf die scheiß kognitive Wahrnehmung. Im Bett landen sie dennoch. Und während sie kurz darauf mit dem ziemlich oberflächlichen oder vielleicht nur erfrischend sorglosen Adam ein frisch Gezapftes zischt, wird Simon ein Ei entfernt. Ziemlich spontan, Hodenkrebs, Rettung in letzter Minute quasi. Andere hätten so eine Parallelität als mürbes Drama erzählt, wie sie es an der Hochschule scheinbar lernen, Tykwer macht’s anders, mit Tempo und Witz. Denn er hat ja noch etwas vor. Mit Simon. Und mit Adam. Im Schwimmbad sollen sie sich begegnen, und auch mit nur einem Ei kann der Mensch Freude haben. Adam ist nun von zwei Seiten gut gefragt.
Naturgemäß kollabiert irgendwann diese Ménage à trois, wobei der Regisseur hier Zaungast spielt, mit einer lässigen Beiläufigkeit führt er die Fäden zusammen, treibt das Geheimnisspiel auf die Spitze, wofür schließlich ein einziger Satz genügt: „Jetzt wird’s kompliziert!“ Dieses Verknappen gelingt so gut, weil die Figuren genau und dennoch nicht „erklärerisch“ gezeichnet sind: Adam zum Beispiel, ein irgendwie ekelhaft moderner Mensch, ohne Bücher, ohne Bilder, nur nichts Persönliches in seiner kalten Bude. Ein selbstgerechter Hund? Nicht ganz, denn auch er hat ja ein Leben, in dem es eine Ex gibt und – wichtiger noch – einen Sohn. Und da heftet Tykwer diesem Ich-Menschen eine warme Seite ans Revers. Oder Simon, dieser Zweifler, dem Schwulsein eher abgeht, worauf Adam ihm als gut getimeten Lacher empfiehlt, er solle sich langsam von seinem deterministischen Biologieverständnis verabschieden.
Das Zentrum aber ist doch Hanna. Vielleicht, weil sie so einen Wind macht, weil die Figur so impulsiv ist, ganz sicher aber, weil Sophie Rois in ihre Hülle springt. Sie bündelt eine faszinierende Persönlichkeit aus Katzenhaftem, etwas Kindlichem und mit ihren Sommersprossen und diesem wasserblauen Blick durchaus auch aus Aufreizendem. In Frankreich würde man sie wie La Huppert ehren, in Deutschland danken wir Tom Tykwer, daß er sie zurück ins Kino gebracht hat.
Das Berückende an DREI ist aber auch der entspannte Umgang mit Männlichkeit und dem so gar nicht geckenhaften Einsatz von aberwitzigen Einfällen, wie der Ölquelle im Marienpark am Prenzlauer Berg. Und diese Vollblutschauspieler. Alle. Eben drei. Am Ende aber pfeift Tykwer auf die Mathematik seines Titels. Genau so macht deutsches Kino Spaß.
D 2010, 119 min
FSK 12
Verleih: X Verleih
Genre: Tragikomödie, Liebe
Darsteller: Sophie Rois, Sebastian Schipper, Devid Striesow, Angela Winkler
Regie: Tom Tykwer
Kinostart: 23.12.10
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.