Originaltitel: SE ROKH
Iran 2018, 100 min
FSK 12
Verleih: Weltkino
Genre: Roadmovie, Mockumentary, Polit
Darsteller: Behnaz Jafari, Jafar Panahi, Marziyeh Rezaei
Regie: Jafar Panahi
Kinostart: 27.12.18
Ein Auto! Ein Auto! Eine Islamische Republik für ein Auto! Noch nicht einmal die Hälfte des für 20 Jahre verhängten Berufs- und Ausreiseverbots hat der iranische Filmemacher Jafar Panahi abgesessen. Da sind selbst kleine Bewegungsfreiheiten kostbar, vor allem, wenn man wie er mit dem Filmen weitermacht. In einem Taxi verschaffte er sich den „widerrechtlichen“ Raum für seinen Berlinale-Gewinner 2015, wenigstens in Teheran. Jetzt fährt er einen privaten Wagen. Nicht etwa nach Cannes oder Berlin, um sich für die in Abwesenheit verliehenen Ehrungen zu bedanken. Es geht hinaus in die iranischen Dörfer, also eigentlich nur um die Ecke. Oder doch in eine andere Welt?
Der Anlaß für den „Ausflug“ ist ernst: als Guerilla-Tat gegen das Arbeitsverbot, aber auch als (fast) kriminalistischer Motor für ein aufzuklärendes Spielfilmverbrechen. Eine angehende Schauspielelevin ist verschwunden. Ihr vielleicht letztes Handyvideo – ein Flehen, ein Sprung, ein Ast – erreichte die prominente Aktrice Behnaz Jafari, die den Freund Panahi um Hilfe bittet. Was geschah wirklich mit Marziyeh? Gemeinsam treten sie die Reise aufs Land an, fragen sich durch, erwidern Höflichkeiten, trinken Tee. Man kennt die Hauptstädter aus den Medien, sogar Panahis justitiable „Unannehmlichkeiten.“ Aber Teheran ist weit. Der Bruder des verschollenen Mädchens tobt. Die Mutter weint. Grundlos? Die alten Männer reden viel und sagen wenig. Außer über die ausgetüftelten Hup-Signale, mit denen in dieser engkurvigen, sich selbst und den Traditionen genügenden Gegend die Vorfahrt zu klären ist.
Für Frauen mit Ambitionen, für „Gauklerinnen“ mit Geltungsdrang macht hier niemand den Weg frei. Nicht für die berühmte Behnaz. Nicht für die nach Entfaltung strebende Marziyeh. Nicht für Shahrzad, die Grande Dame des iranischen Vorrevolutionskinos, die wie ein mahnender Geist durch Panahis – wie sollte es anders sein – mit Maximalmut und Minimalausstattung fertiggestellten Film spukt. Der ist natürlich näher an Abbas Kiarostami als an Robert Aldrich, eher umständliche Landpartie als effektiver Reißer. Aber es gibt ihn – vorbei an allen strafrechtlichen Auflagen, unter Angabe von Echtnamen. Ein auto- und hyperbiographischer Metafilm über den Verlust an Kinokultur: solidarisch mit den anderen Marginalisierten, codiert wie ein Gedicht und wie im Vorbeifahren festgehalten.
[ Sylvia Görke ]