D 2023, 83 min
FSK 18
Verleih: Salzgeber

Genre: Drama, Schwul-Lesbisch

Darsteller: Lorenz Hochhuth, Cino Djavid, Gustav Schmidt

Regie: Hannes Hirsch

Kinostart: 02.11.23

1 Bewertung

Drifter

Exzeß und Einsamkeit

Berlin läßt mal wieder die Hosen runter. Gleich zu Beginn ragt eine Erektion in die Kamera, der Körper ist schon nackt. Danach werden Sehnsüchte, Ängste, Triebe entblößt. Moritz, der Protagonist von Hannes Hirschs Langfilmdebüt, kommt mit 22 unbedarft in die Hauptstadt. Kurz darauf verläßt ihn sein Freund. Also läßt er sich orientierungslos treiben, er testet und driftet durch lange Nächte. Hirschs Regiearbeit bleibt in den elliptisch montierten Szenen offen, neugierig, observierend.

DRIFTER fängt gekonnt einen jugendlichen Zustand und Kippunkt im Leben ein, an dem die vermeintlich unbegrenzten Möglichkeiten zur Befreiung wie zur Last werden. Der queere Selbstentwurf wird zur Arbeit, hedonistischer Exzeß läßt von einer kurzen Befriedigung zur nächsten taumeln und wirft einen hinterher umso ernüchterter auf das einsame Selbst zurück. Zugleich hat dieser Film ein Repräsentationsproblem. Er strebt zum Universellen von Anpassung, geschlechtlicher Identität, Ich-Werdung, bleibt aber dezidierter Berlin-Film, der nur spärlich aus den eigenen Formeln fahren kann.

Die wertungsfreie Distanz, die er gegenüber seinem Protagonisten wahrt, fehlt bezüglich seines gesamten Milieus, um all die klischeebehaften, inzwischen fast spießig erscheinenden Berlin-Szenarien zwischen Sex, Clubs, Drogen und schrillen Inszenierungen in neue Relationen setzen zu können. Sich diesen immer gleichen Bildern, Codes, Rollen, Erwartungen und Realitäten fügen zu müssen, von ihnen verführt zu werden, auch filmisch, als gäbe es keine anderen Möglichkeiten der (Lebens-)Gestaltung, stellt DRIFTER mit transparenter, aber ebenso hilfloser Ambivalenz zur Debatte.

[ Janick Nolting ]