Originaltitel: DRIVEWAYS
USA 2019, 83 min
Verleih: Tobis
Genre: Drama, Poesie
Darsteller: Hong Chau, Lucas Jaye, Brian Dennehy, Stan Carp, Jerry Adler
Regie: Andrew Ahn
Kinostart: 03.12.20
Weil das Leben so voll ist mit Rückkehrern, ist es das Kino eben auch. Söhne und Töchter fahren nach vielen Jahren heim, dorthin, wo ihre Mütter und Väter leben oder gerade gestorben sind. Wo, wenn es nicht ganz so schlimm kommt, Kumpels und Freundinnen noch feststecken oder heiraten. Nicht selten tun es ja die Falschen untereinander, und seltsame Geschichten kommen in Gang.
Auch DRIVEWAYS beginnt mit einer Autofahrt, die das große Aufräumen als Ziel hat. Um Unrat geht es und den guten Rat, der nicht teuer sein soll. Denn es geht nicht minder ums Bleiben. Regisseur Andrew Ahn braucht nicht mal 90 Minuten für seine zarte Story. Er sperrt auf wunderbar stimmige Weise die ganz großen Gesten aus und erzählt dennoch über Essenz. Weil er beim Zuschauen sehr genau ist, schaut man gern dabei zu.
Kathy und Cody kommen an, da ist es schon dunkel. Der Schlüssel zum Haus will nicht ins Schloß, also müssen Mutter und Sohn zunächst ins Motel. Tags darauf im Hellen wird klar, weshalb die beiden hier sind. Kathys ältere Schwester April ist gestorben, ihr Haus irgendwo draußen in einer US-amerikanischen Siedlung soll verkauft werden. Wenn es leer ist. Das wird zur Herkulesaufgabe für die zierliche Frau und ihren 8jährigen, denn April war das, was man einen Messie nennen darf.
Aber nett, sagt Del. Der 80jährige Nachbar sitzt mit Kriegsveteranen-Basecap auf der Veranda. Der Erstkontakt zwischen ihm und Cody ist freundlich. Wie es am Ende zwischen beiden aussehen wird, kann man schnell ahnen. Sie werden zum Zentrum von DRIVEWAYS, freilich vor allem durch Brian Dennehy in seiner letzten und Lucas Jaye in seiner ersten Hauptrolle. Ihre Charaktere werden zum Synonym für offene, vorurteilsfreie Begegnungen unter Menschen, die ganz Alten und ganz Jungen, die sich Geschichten erzählen und einander noch zuhören, denen winzige Dinge und Wahrnehmungen wichtig genug sind, um sie zu teilen. Kathys „Zwischenleben“ umreißt sich über Andeutungen: ein knappes Telefonat mit dem Ex, ein paar Worte, mit denen sie sich denjenigen gegenüber offenbaren kann, die nicht nur neugierig sind.
Im Umgang mit ihrem Sohn hat Kathy vieles richtig gemacht, das ist zu fühlen und zu greifen. Wenn es so bleiben könnte, wird Cody wohl nicht irgendwann einmal, nach Jahren der Sendepause, zu ihr zurückkehren müssen, um aufzuräumen. Dinge vielleicht, aber keine Kellerleichen.
[ Andreas Körner ]