Originaltitel: EDIE
GB 2017, 102 min
FSK 0
Verleih: Weltkino
Genre: Tragikomödie, Poesie
Darsteller: Sheila Hancock, Kevin Guthrie, Paul Brannigan
Regie: Simon Hunter
Kinostart: 23.05.19
Im Grunde ist dies die Geschichte zweier Augen, strahlend blau. Unvergeßlicher Blickfang eines sowieso attraktiven alten Gesichts, gepflegt, dezente Perlenohrringe, eine fesselnde Erscheinung. Wir sehen Sheila Hancock, über 80, die IMDb ordnet ihr 109 Einträge als Darstellerin zu, trotzdem nahm man sie bisher nicht wahr. Was hier endlich passiert, Hancock errichtet ihr eigenes Denkmal. Und mimt eben Edie, eine Dame, deren Gatte plötzlich stirbt, offenbar verdient’s wenig Trauer. Warum, erfahren wir kurz darauf, Edies Existenz war keine heitere, und ginge es nach Tochter Nancy, soll sie im Heim enden. Aber hallo, derartiges verweigert ein Freigeist, der unverhofft alle Rundum-Pflichterfüllung erzwingenden Ketten abwarf, voller Tatendrang noch einen großen Traum verwirklichen möchte, konkret die Besteigung des Suilven – 731 Meter hoher schottischer Berg. Edie engagiert zwecks Unterstützung Jonny, Outdoorladen-Besitzer, und los!
Sicher gleicht der Film, runtergebrochen auf das tatsächlich Geschehende, seiner Heldin: konkretes Ziel gesteckt, drauf hinarbeiten, nicht links und rechts abschweifen. Natürlich muß Edie da beispielsweise dickköpfig in einen Sturm geraten, fremde Güte erfahren, welche Nancy, emotional verbohrt und darob undankbar, wohl kaum geben kann. Klar führt anfänglicher Zoff zwischen den Generationen irgendwann zu Verständnis und echter Freundschaft. Doch seien Sie versichert: Jedwede Formelhaftigkeit wird durch innere wie äußere Schönheit quasi weggestrahlt.
Man will nicht aufhören, in Hancocks Augen zu schauen, die komplette Gefühlswelten spiegeln. Lichtüberflutet-grandiose Bilder der Highlands machen nicht nur Edies Wunsch völlig verstehen, sie wecken außerdem regelrecht Sehnsüchte, raus aus dem Alltag, hin zum zugegebenermaßen eher rauhen Busen der Natur. In angenehmen Prisen verabreichter Humor gewinnt mittels Feinsinns – etwa dann, wenn Edie zwangsweise in Jonnys WG übernachtet (ein Saustall, den bloß zusammengepferchte Männer so anrichten) und zur Freude der Kumpel infolge hektischen Aufbruchs einen Zettel hinterläßt: „Thank You For Last Night.“
Einmal hübscht sich Edie auf, trägt ein mondänes Kleid, reist zurück in der Zeit, hin zum Mädchen, das sie nie sein durfte. Bis jetzt. Und was bleibt nun letztlich von einem langen Leben? Zur Antwort dient final wieder Edies Gesicht. Selbstverständlich …
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...