"... als daß ein Reicher in das Reich Gottes kommt", schließt der Vers im Matthäus-Evangelium, den der Titel hier zum Leitsatz des Filmes erhebt. Über den Himmel werden wir zu Lebzeiten wohl nie etwas erfahren. Doch es muß was dran sein, wenn zuweilen schon in Paris das Glück zum Greifen weit entfernt ist. Für Federica zumindest, die dem Pater bei der Beichte reuig und verlegen anvertraut: "Ich bin reich, sehr reich." Die mitfühlende Frage des Geistlichen: "Wieviel?"
Es gibt keinen Ausweg aus dem Teufelskreis des Besitzstandes. Anlaß für die italienisch-französische Schauspielerin Valeria Bruni Tedeschi, eine Reihe tragikomischer Episoden aus dem Leben der unglücklich überprivilegierten Frau zu erzählen. Und zwar in einem Film, der ganz im Zeichen Bruni Tedeschis selbst steht. Sie konzipierte die Geschichte - ohne die autobiographischen Bezüge darin zu kaschieren; sie führte (erstmals) Regie; sie spielte die Hauptrolle. Ganz schön gewagt! Aber auch ganz schön gelungen.
Federica stammt aus einer italienischen Industriellen-Familie, mit der sie als Kind nach Paris kam. In einem Alter, in dem die Jugend längst in feste Bahnen münden sollte, lebt sie von Geldsorgen unbeschwert als freie Autorin autobiographischer Dramen. Sie verlangt nicht viel: endlich ein normales Leben führen, erwachsen werden. Doch der Reichtum der Familie hemmt sie, die Schuldgefühle schnüren ihr förmlich die Luft ab. Die Zuneigung des Vaters auch. Jetzt liegt der Vater im Sterben, und der Anhang sieht sich mit dem Tod, der Erbschaft und einigen Details der Familiengeschichte konfrontiert. Darüber hinaus stellt ihr Freund, ein einfacher Lehrer mit revolutionärem Gestus, Ansprüche auf ein wenig Familienglück mit Kindern und gemeinsamer Wohnung und trifft sie einen alten - verheirateten - Liebhaber wieder. All das ist Federica zu viel. Anstatt Entscheidungen zu treffen, sucht sie Erlösung in der blumigen Phantasiewelt ihrer Kindheit und drängt den Pater zunehmend in eine Psychiater-Rolle.
Bruni Tedeschi überzeugt gleichermaßen als Schauspielerin und Regisseurin. Sie hat einer Filmfigur zum Leben verholfen, die dem neurotischen Personal eines Woody Allen in nichts nachsteht, bei aller Überdrehtheit aber irgendwie geerdet erscheint. Es ist eben die französische Variante der Stadtneurotikerin: ruhig und überlegt, von ausgewogener Heiterkeit und einem angenehmen Maß Traurigkeit.
Originaltitel: Il est plus facile pour un chameau
F/I 2003, 110 min
Verleih: Movienet
Genre: Tragikomödie
Darsteller: Valeria Bruni Tedeschi, Chiara Mastroianni, Jean-Hugues Anglade
Regie: Valeria Bruni Tedeschi
Kinostart: 18.03.04
[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...