Arash T. Riahi, der nach seinem letzten preisgekrönten Dokfilm EXILE FAMILY MOVIE nun sein Spielfilmdebüt gibt, greift erneut das große Thema Flucht auf, und man ist versucht, an die vielen anderen Flüchtlingsgeschichten zu denken, an andere Filme und an bekannte Perspektiven auf erschütternde (fremde) Schicksale. Arash T. Riahi aber erzählt seine Geschichte, die auf Authentischem und auf Autobiographischem beruht, als fein ausbalancierte Tragikomödie, die den Zuschauer in ein wahres Wechselbad der Emotionen taucht und ihn mit auf eine Reise nimmt, an deren Anfang der Kampf der Protagonisten ums nackte Überleben stehen mag, deren Fortsetzung aber auf universelle Fragestellungen abzielt: Was etwa meint „Fremdsein“? Wie fassen wir Mut, unseren Träumen nachzugehen, und was bedeutet (uns) Freiheit?
Im Leben der hier beobachteten Flüchtlinge überschlagen sich die dramatischen Ereignisse, und zugleich sind ungewöhnlich komische Momente und Szenen zu erleben. Zwei ungleiche Freunde, eine dreiköpfige Familie und zwei junge Männer, die zwei Kinder aus dem Iran zu ihren Eltern nach Österreich bringen sollen, stranden nach der Odyssee des illegalen Grenzübertritts in einem schäbigen Hotel in Ankara. Ursprünglich gedacht als kurze Zwischenstation, zieht sich der Aufenthalt in die Länge, weil der Bescheid der Asylanträge auf sich warten läßt. Und so beginnt nach einem ersten Augenblick Freiheit für alle eine Phase der Stagnation. Der Willkür der türkischen Behörden ausgesetzt, gefährdet durch Denunzianten, die dem iranischen Geheimdienst zuspielen, und finanziell in der Misere, spitzt sich die Lage zu. Das Ziel aller bleibt gleich, die Reaktionen in dieser schier aussichtlosen Situation aber könnten nicht unterschiedlicher sein.
Arash T. Riahi ist in vieler Hinsicht ein Kunststück gelungen, unter anderen das, ein vielsprachiges Darstellerensemble mit persönlichen Fluchterfahrungen zueinander zu bringen. Die Schauspielleistung ist durchweg überzeugend, wobei Fares Fares (KOPS, JALLA! JALLA!) sicher eine der schwierigsten Aufgaben zukam. In der Rolle eines kurdischen Lebenskünstlers und unerschütterlichen Optimisten vollzieht er bravourös den schwierigen Balanceakt zwischen Drama und Komödie, und damit ist vor allem ihm zu danken, daß eine Intention des Regisseurs lange nachhallt – das Lebensbejahende seines Films.
Österreich/F 2008, 110 min
FSK 12
Verleih: Film Kino Text
Genre: Drama, Komödie
Darsteller: Navid Akhavan, Ourya Mahyari, Elika Bozorgi
Regie: Arash T. Riahi
Kinostart: 27.08.09
[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.