Originaltitel: LE GRAND BAIN

F/Belgien 2018, 122 min
FSK 6
Verleih: StudioCanal

Genre: Komödie

Darsteller: Mathieu Amalric, Benoît Poelvoorde, Virginie Efira, Guillaume Canet, Jean-Hughes Anglade

Regie: Gilles Lellouche

Kinostart: 27.06.19

17 Bewertungen

Ein Becken voller Männer

Hebefiguren, Sterne, Rosetten, Schrauben und Salti – ein urkomischer Befreiungsschlag

Nur ein Planspiel: Stellen Sie sich beispielsweise mal Jürgen Vogel, Florian David Fitz, Tom Schilling, Justus von Dohnànyi und Jördis Triebel vor, die eine wild zusammengewürfelte, familiär, beruflich, gesellschaftlich und beziehungstechnisch arg gebeutelte Truppe spielen, in unserem Fall eine sich linkisch anstellende, an Grenzen stoßende und schließlich über sich hinauswachsende Männerriege beim Synchronschwimmen inkl. Trainerin. Gut. Und dann denken sie an Mathieu Amalric, Benoît Poelvoorde, Jean-Hughes Anglade, Guillaume Canet und Virginie Efira – in der gleichen Situation. Sie verstehen?

Keine Frage, die deutschen sind allesamt gute Schauspieler, die das Skizzierte ordentlich spielen könnten: Man glaubt ihnen dennoch nur die Hälfte, man sieht das Spiel. Hingegen die französisch-belgischen Kollegen das Gelebte ihrer Figuren schon im Gesicht tragen, sie werden zu Bertrand, Marcus, Simon, Laurent und Delphine, man vergißt beim Schauen dieses herzerwärmenden, menschlichen und wunderbar komisch erzählten Films ihre großen Namen, man fühlt mit, wenn sie sich mit viel zu langer Arbeitslosigkeit, stotterndem Nachwuchs, unternehmerischen Pleiten, verkrachten Musiker- und Sportkarrieren herumplagen, wenn eine Lösung der Probleme geradezu unerreichbar scheint, wenn sie müde feststellen, wie schnell man doch ein alter Sack wird.

Und deswegen ist es nur gut, daß EIN BECKEN VOLLER MÄNNER ein französischer Film geworden ist, vielleicht einer der kämpferischsten, anrührendsten und unterhaltsamsten der letzten Jahre, der, auch wenn sein Plot eher konservativ erzählt ist, treffsicher auf die 12 zielt. Kaum zu glauben ist dabei, daß es sich um die erste Langfilmregie des Schauspielers Gilles Lellouche handelt – übrigens noch so ein markanter Charakterkopf. Pointiert im Witz, perfekt ausgelotet zwischen den leichten und bewegenden Momenten, glaubwürdig in der Typenzeichnung.

Dabei ist es gerade der so beiläufig geratene Humor, der besticht. Bertrand steht ein wenig im Zentrum der Geschichte, er ist derjenige, der durch das Pflegen einer Lethargie zu lange arbeitslos und darüber depressiv geworden ist, und wenn er seine Psychopharmaka absetzen will, weil diese eh nur fett machen, spendet die resolute Gattin kantigen Trost: „Nimm sie, Du bist schon dick!“ Er stößt schließlich zu dieser Bande von Wassersportfrischlingen und paßt perfekt zu diesen, sich vor allem selbst im Wege stehenden Kerlen. Ihnen fehlt das, was Trainerin Delphine einfordert: Disziplin, Willensstärke, Kraft, Rhythmus und Mut. Und weil es so nur das Kino kann, hofft (und ahnt) man früh, daß mindestens ein paar dieser Tugenden auf dem Weg zur Weltmeisterschaft (!) in Norwegen im Gepäck sein werden.

Großartig, wenn Delphine ihre behaarten, schmerbäuchigen Jungs auffordert, die Frau in sich zu fühlen, brüllkomisch, wenn Bertrands Gattin mit nervösen Mundwinkeln im Schwimmbad fragt: „Und das ist Deine Mannschaft?“ Die Schauspieler stürzen sich mit einer gewissen Furchtlosigkeit in ihre Rollen, dazu gelingen viele stille Momente, das Herz geht einem auf, wenn ein erster Anflug eines Lächelns in müde Gesichter findet, Freundschaften entstehen, kühne Träume wieder gewagt werden, Solidarität keine hohle Parole mehr ist, und die Problembewältigung sich nicht mehr auf den ersten Gin Tonic konzentriert.

Deswegen noch mal: So wie Gilles Lellouche im Mantel einer zauberhaften Komödie von Scham, Angst und dieser Wut auf einen selbst erzählt, wie er eine kleine Geschichte vom Wiederaufstehen und Neuanfang zu einem großen humanistischen Hymnus auf den Glauben an sich selbst zaubert, das können die Nachbarn wirklich besser als wir. Denn: All die an Esther Williams gemahnenden Hebefiguren, Sterne, Rosetten, Schrauben und Salti sehen auch am Ende noch eigenwillig aus, aber wir glauben den Jungs.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.