Originaltitel: MOTHERING SUNDAY

GB 2021, 105 min
FSK 12
Verleih: Tobis

Genre: Drama

Darsteller: Odessa Young, Josh O'Connor, Colin Firth, Olivia Colman

Regie: Eva Husson

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Ein Festtag

Gefühle, die man sieht

Zuerst strahlen nur gefangen nehmende Augen, dann putzt Dienstmädchen Jane anno 1924 im Haus der Nivens. Heute ist Muttertag, Mr. Niven betont unablässig dessen Freudigkeit, möglicherweise überzeugt der Sermon ja irgendwen, primär ihn selber. Colin Firth spielt, vielleicht brillanter denn je, einen nahezu weggetretenen Charakter vorm Verschwinden, er könnte jeden Moment zusammenbrechen und nicht mehr hochkommen, niemals. Bei Mrs. Niven sieht’s noch düsterer aus, sie sitzt wie immer abweisend rum, gelähmt vom Lebensüberdruß. Was Olivia Colman per se wenige Chancen zum Glänzen läßt, aber ihre große Szene lodert kurz vor Schluß – ein Auf- und Ausbruch, der sich unter die Haut gräbt, trotz erlernter Contenance extremen Schmerz transportiert.

Damit zumindest Jane etwas Spaß hat an diesem speziellen Datum, gibt’s Freizeit als Geschenk, die junge Frau trifft ihren Geliebten Paul. Undenkbar, daß die Affäre zur akzeptierten Bindung wächst, Paul steht ein paar Schichtstufen höher und heiratet demnächst standesgemäß. Doch das Schicksal mischt an jenem Festtag tragische Karten …

Während sich die feine Gesellschaft in Korsetts und lähmende Worthülsen preßt, absolviert Jane ihren Auftritt weitgehend völlig ungezwungen plaudernd im Kostüme Evas. Aufbegehren, welches andernorts auch das Hier und Jetzt berührt: Wann wurde zuletzt derart offensiv (oder überhaupt) auf der Leinwand geraucht? Sowieso scheint die Kamera interessiert daran, Menschen quasi nackt zu zeigen, ihre Geheimnisse zu entlocken, konserviert Körperliches in Nahaufnahme, fräst sich durch Gesichter, spürt langen Blicken nach. Zwischendrin betont ein Lichtstreifen erneut Janes bannende Augen.

Die eigentliche Geschichte schwächelt da fast zwingend; ungeachtet des Jahrzehnte umspannenden Zeitrahmens fehlt Substanz, auf Nebensätze verteilte biographische Schlaglichter schaffen es kaum, gegen allgegenwärtig flirrende optische Verführung zu bestehen, Zeitebenenwechsel geraten (obwohl Glenda Jackson die alte Jane verkörpert) manchmal manieriert, torpedieren so die traumtänzerische Eleganz. Letztere ringt gar einer tödlichen Krankheit schier zerreißende Schönheit ab und weiß Feminismus selbst an den oft recht skeptischen Mann zu bringen. Umso bedauerlicher, daß die Regie es gleich doppelt versäumt, den Sinnesrausch zum passenden, weil klischeefernen, Zeitpunkt enden zu lassen.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...