D 2007, 96 min
Verleih: Concorde
Genre: Komödie, Literaturverfilmung
Darsteller: Ulrich Noethen, Ulrich Tukur, Katja Riemann, Petra Schmidt-Schaller
Regie: Rainer Kaufmann
Kinostart: 20.09.07
"Helmut!!!" Dieser sirenenartige Ausruf wird dem Zuschauer schmunzelnd und leicht fröstelig noch lange in den Gehörgängen verweilen. In die Welt geschallt wird der Name vielfach von Klaus, dem vergessen erhofften Schulkameraden, den Helmut, der Oberlehrer aus München, nun ausgerechnet im Urlaub am Bodensee trifft. Klaus scharwenzelt sofort um Helmuts schöne Frau Sabine, dabei hat er doch selbst eine weibliche Herausforderung an seiner Seite. Hel, so ein ganz junges Ding, was auch dem Schopenhauer lesenden Helmut nicht unbemerkt bleibt. Klaus ist wie eine Fliege, er weicht dem zurückhaltenden - sagen wir ruhig - etwas verknöcherten Helmut nicht mehr von der Seite, kramt alte Kamellen zum Amüsement aller am Vespertisch aus - nur Helmut lacht nicht. Was soll an seiner pubertären Phimose, derer sich der weltgewandte Klaus so herzlich erinnert, auch lustig sein?
Muß dieser Eindringling auch noch verraten, daß Helmut als Jugendlicher gern die nackte Haut tiefgefrorener Gänse streichelte? Warum tut er das? Helmut will den forschen Typen loswerden. Der paßt einfach nicht zu ihnen, außerdem haben sie Urlaub, das x-te Mal am gleichen Fleck, obwohl Sabinchen schon mal raus will. Doch bis der Störenfried verschwindet, darf Helmut schwitzen, denn so einer Type wie Klaus, der einfach alles kann, der einst tiefgefrorene Brezeln auf den Kanaren verkaufte, gegen den Raupenbefall in Stuttgarts Roßkastanien mit aller Entschiedenheit vorging, so einem kommt man schwer bei. Für sich selbst findet der Filou kräftige Worte: er sei Matchmaker, Geschäftsmann, geradezu independent ... Da kann Helmut, der Hobby-Ornithologe, kaum mithalten, empfindet er nur wahres Glück beim Beobachten der seltenen Ringschnabelente oder wenn er der Rohrdommel in einträchtiger Pfahlstellung gewahr wird. Doch dann lädt Klaus, der scheinbar echte Gefühle für den scheuen Helmut empfindet, zu einer Kahnfahrt auf den Bodensee. Der willigt ein, und schon ziehen dunkle, sehr schwere Gewitterwolken auf. Eine Chance für Helmuts morbide Gedanken?
Was Regie und Buch aus der recht ernsten und - mit Verlaub - etwas spröden Novelle Walsers gemacht haben, ist schlichtweg sensationell. Eine auf den Punkt inszenierte, mit atemberaubend agierenden Schauspielern besetzte Boulevardkomödie, ein teils brüllend witziges Lehrstück über das Leben in der Krise, über Mittvierziger, die sich am eigenen Pathos besaufen, die sich schon mal fragen dürfen: wars das, soll man nicht doch mal einen neuen Weg gehen, von vorn anfangen, oder sind das - wie es unser Helmut!!! ausdrücken würde - doch nur infantile Ausbruchsphantasien?
Rainer Kaufmanns mit pop-jazzigen Einsprengseln hingetupfte, bisweilen französisch anmutende Beziehungs- und Mittelstandsposse ist bestes Unterhaltungskino in lichtstarken Cinemascopebildern, mit wunderbar ausgearbeiteten Figuren, die eben perfekt gespielt werden, wobei die Schauspieler auch verblüffend nuanciert mit Stimmfarben und Dialekten arbeiten. Ulrich Noethen hat als Helmut natürlich die größte Last zu tragen. So einen hoffnungsvoll verträumt aussehenden Menschen wie Noethen muß man als Helmut erstmal so ein wenig eklig finden können! Er beweist wiedermal immense Wandelbarkeit. An seiner Seite die zur großen Schauspielerin gereifte Katja Riemann, mit Schwimmerschultern und dem Mut zur Hysterie.
Dann der ohnehin unschlagbare Tukur - diesmal mit Pornobrille, dauergeschürzten Lippen und gar ohne Sattel auf dem titelgebenden Getier. Da muß Petra Schmidt-Schaller als nymphengleiches Objekt der Begierde ein wenig zurückgestellt wirken, aber ihre Funktion als Bodensee-Lolita erfüllt sie perfekt, manchmal wähnt man ihre Rolle an die Julie in Ozons SWIMMING POOL angelehnt. Immerhin hat Hel Verständnis für Helmuts Spontanerektion nach einer ihrer berühmten Massagen: "Ist doch ein Zeichen, daß Du noch lebst!"
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.