• Meinungen

Ein irischer Sommer

Kraftvoller und metaphorischer Reigen

Eamon Doyle weiß noch nicht, was die Zukunft ihm bringen wird. Eben hat er die Schule abgeschlossen,verbringt den Sommer im ärmlichen Haus seines Vaters John und hilft ihm bei der Arbeit. Der alte Mann ist verbittert. Vor Jahren starb seine Frau und ließ ihn mit dem Kind allein. Er wird geplagt von der Erinnerung an seine Erlebnisse im irischen Bürgerkrieg. Das Fischen bringt kaum genug zum Überleben ein, und nun soll ihm auch noch die Lizenz entzogen werden. So setzt er seine ganze Hoffnung auf Eamon und die gute Ausbildung, die er dem Jungen ermöglichen konnte. Doch das Irland der 50er Jahre bietet seines Landeskindern kaum Chancen auf Arbeit und Wohlstand. Über der allgegenwärtigen Armut schwebt immer der Hoffnungsschimmer Amerika.

Der irische Filmemacher Cathal Black schert sich nicht um Lokalkolorit und touristische Idylle. Er verdichtet die dörfliche Heimat von John und Eamon zu einem poetischen Irgendwo und entwickelt eine irisch-düstere Version des Romeo-und-Julia-Stoffes, die schon wegen ihrer kraftvollen, metaphorischen Bilder unbedingt sehenswert ist. Der malerische See, den Vater und Sohn tagtäglich mit dem Boot befahren, ist Ort ihrer fast sprachlosen Auseinandersetzung. Er scheint alle Worte zu schlucken, als spräche man mit dem Kopf unter Wasser. Immer wieder zeigt die Kamera die gefangenen Fische in den Reusen, die sich schweigend winden - Symbol für Ausweglosigkeit und stille Verzweiflung. Die traumatischen Erlebnisse des Vaters werden nicht in Rückblenden erzählt, sondern brechen unvermittelt als Traumbilder über die Szenerie herein. Während man drüben im Dorf den Einzug der Elektrizität feiert, hängt John in der Vergangenheit fest. Vor allem pflegt er trotzig die Feindschaft zum alten Moran, dem Landesverräter, der seinen eigenen Sohn nach Amerika verkaufte und ihn im Koreakrieg totschießen ließ. Eamon verliebt sich ausgerechnet in Morans Tochter Una und wird damit zum Verräter an seinem Vater.

[ Sylvia Görke

]