Originaltitel: STREHA MES REVE

Albanien 2018, 84 min
FSK 0
Verleih: Neue Visionen

Genre: Drama

Darsteller: Arben Bajraktaraj, Esela Pysqyli, Irena Cahani, Bruno Shllaku, Osman Ahmeti

Regie: Robert Budina

Kinostart: 19.09.19

3 Bewertungen

Ein Licht zwischen den Wolken

Das Kreuz mit Mohammed

Daß sie dem Jungen ihre Schweinesuppe zum Kosten geben, ist zu viel des Schlimmen. In der Kate werden jetzt endgültig die Tische auseinandergerückt, damit sich die Löffel von Muslimen und Orthodoxen nicht mehr kreuzen. Das Dilemma der Welt, heruntergebrochen auf eine kleine albanische Familie in den Bergen. Was für ein Bild! Doch damit nicht genug: Der Vater war einst glühender Kommunist, Vergilbtes von Marx, Engels, Lenin, Stalin und Herrscher Enver Hodscha hängt noch über seinem Sterbebett. Und damit noch immer nicht genug: Im Dorf leben auch katholische Christen ohne Kirche, denn die Kirche ist seit Ewigkeiten eine Moschee.

Was nach überbordender Versuchsanordnung klingt, bekommt in EIN LICHT ZWISCHEN DEN WOLKEN eine zutiefst menschliche, sehr natürliche Dimension. Der albanische Regisseur Robert Budina hat einen poesievollen, visuell gewaltigen, so zarten wie packenden Film erschaffen, der auf magische Weise eine Zeitlosigkeit atmet, die verblüfft. Ohne Mühe hätte Budina einen historischen Stoff adaptieren und in dieser vergangenen Zeit belassen können. Die scharfen Konflikte wie auch das friedvolle Nebeneinander von Religionen in seiner Heimat sind so alt wie Albanien selbst. Er hat anders entschieden. Ein verlassenes Bergdorf wie das hier gezeigte namenlose ließe sich in ansprechendem Fitneßzustand von jedem von uns erlaufen. Es ist keine Kulisse. Aber die Alpen sind uns einfach näher. Schade eigentlich.

EIN LICHT ZWISCHEN DEN WOLKEN gehört bestechend effiziente 84 Minuten lang einem zumeist in sich gekehrten Ziegenhirten. Besnik pflegt den kranken Vater mit aller Liebe, die ihm gegeben ist. Die Liebe zu einer Frau hat ihm ausgerechnet dieser Vater verwehrt. Besnik lebt die Vergebung, die Wiese ist ihm Teppich zum Beten, das Schnitzmesser genügt, um keine Waffe zu sein. Besnik, der Gütige! Plötzlich ist da ein Riß. Zunächst nur an einer inneren Wand der Moschee, schnell aber auch in der Dorfgemeinschaft. Der Riß weist den Weg zu einem verdeckten christlichen Heiligenbild. Das Entsetzen ist so groß wie das Begehrliche. Besnik will in einer naturgegebenen Mischung aus Unbedarftheit und Friedfertigkeit vermitteln. Wie wäre es, das Haus ertrüge Gott und Mohammed zugleich, so wie augenscheinlich früher? Doch wie soll man fremde Menschen vereinen, wenn schon die eigene Sippe nicht miteinander kann?

Besniks multigläubigen Geschwister rücken, den nahen Tod des Vaters vor Augen, an. Die Schwester mit den Ihrigen aus der Stadt, der Bruder mit Frau und Kindern gar aus Griechenland. Daß Vater verfügt hat, sein Haus gehöre demjenigen, der sich um Besnik kümmert, wissen sie nicht. Vor allem weiß es Besnik nicht.

Wie man Denken filmt, zeigt EIN LICHT ZWISCHEN DEN WOLKEN auf vorzügliche Weise. Arben Bajraktaraj als Besnik setzt es vorzüglich um. Ein Guter ist’s! Regisseur Budina – der selbst Orthodoxer und mit einer Muslima verheiratet ist – verfällt nicht dem so üblichen westlichen Blick auf urbanes Leben in Regionen, die alles andere als im Fokus des Weltkinos stehen. Er bereitet nicht auf, spielt nicht einmal mit der majestätischen Idylle draußen oder der die Klaustrophobie der Räume sprengenden Kamera innen. In der Ruhe liegt die Kraft. Und nebenbei sind alle Laiendarsteller, die Christen spielen, in ihrem wahren kleinen Leben Muslime. Ein Zeichen?

[ Andreas Körner ]