Adolf Eichmann war SS-Obersturmbannführer und der "Buchhalter des Todes" im Dritten Reich. Ihm oblag die Aufgabe, die Juden im gesamten deutschen Herrschaftsgebiet zu erfassen und in die Konzentrationslager des Ostens zu deportieren. Er tötete Millionen, ohne jemals selbst Hand anzulegen. Und er war ein Mann mit Eigenschaften, die noch heute als "typisch deutsch" gelten: effektiv und exakt, pflichtbewußt und autoritätshörig, ordentlich und sauber.
Eichmann konnte in den Wirren der letzten Kriegsmonate untertauchen. Erst 1960, wurde er vom israelischen Geheimdienst in Südamerika aufgespürt und nach Israel entführt, wo er vor Gericht gestellt und später hingerichtet wurde. Aus bislang unveröffentlichtem Videomaterial der Gerichtsverhandlung gegen Adolf Eichmann hat Regisseur Eyal Sivan eine Betrachtung über Verantwortung und die Unfähigkeit zum Ungehorsam montiert. Der Film zeigt das vielschichtige Porträt eines Fachmannes der Vernichtung. Mit bürokratischer Perfektion hat Eichmann den Transport von "Menschenmaterial" in die Todeslager organisiert.
Der Kontrast zwischen dem ungeheuerlichen Verbrechen und der Mittelmäßigkeit des Angeklagten überrascht auf den ersten Blick. Eichmann sitzt in einem Glaskasten, kurzsichtig, mit schütterem Haar, nervös zuckend. Vor sich hat er Unmengen von Dokumenten, die er immer wieder akribisch durchblättert und säuberlich neu ordnet. Manchmal macht er Notizen. Aber seine Sprache bei der Verhandlung entlarvt ihn als eiskalten Bürokraten, der von "Angelegenheiten" und "forcierter Auswanderung" spricht, wenn es um Mord und Deportation geht.
Der Prozeß hinterfragt die individuelle Schuld des Angeklagten, der allzu willig seine Pflicht erfüllte. Immer wieder versucht Eichmann, die Anklagepunkte zu entschärfen und sieht sich teilnahmslos als Rädchen im Getriebe, als Befehlsempfänger, der funktionieren mußte.
Das Drama im Gerichtsaal kommt ohne Off-Kommentare aus und besticht durch seine Bildkomposition. Beängstigend nah ist die Vorstellung der Todesmaschinerien, wenn Zeugen, die den Holocaust überlebten, ihre Leiden und ihren Verlust beschreiben.
Originaltitel: UN SPÉCIALISTE
F 1999q, 128 min
Verleih: Arsenal
Genre: Dokumentation, Polit
Regie: Eyal Sivan
Kinostart: 16.12.99
[ Mathilda Bergman ]