Originaltitel: A HIDDEN LIFE
D/USA 2019, 174 min
FSK 12
Verleih: Pandora
Genre: Drama, Historie, Schicksal
Darsteller: August Diehl, Valerie Pachner, Maria Simon
Regie: Terrence Malick
Kinostart: 30.01.20
Wie einfach und klar manche Dinge manchmal sind: „Ich kann keinen Eid auf Hitler leisten. Ich kann’s nicht!“, sagt da einmal der Franz Jägerstätter aus dem oberösterreichischen St. Radegrund, Bezirk Braunau am Inn. Und er sagt es ohne Vehemenz, ohne moralisches Auftrumpfen, ohne Trotz. Aber auch ohne Angst oder Verzweiflung. Er sagt es mit festem Blick, ruhig, einfach und klar – und im Wissen darum, was das bedeutet. Für ihn. Für seine Familie. In dieser Zeit und diesem Land.
Terrence Malick ist endlich zurück! Die geradezu schon mythenumrankte Regielegende, der große Bildermagier und Metaphysiker des Kinos, dessen letzte drei Arbeiten (TO THE WONDER, KNIGHT OF CUPS, SONG TO SONG) gleichwohl ein zumindest zwiespältiges Gefühl hinterließen. Schwang doch zunehmend etwas Prätentiöses, auch Redundantes in diesen Werken mit. War ein latentes Straucheln von der Kunst hin ins Kunstgewerbe nicht zu ignorieren. Und eröffnete sich darüber die zumindest für Malick-Verehrer bange Frage, ob der Meister sich nicht zunehmend zu verlieren drohte in Substanzverflüchtigung, leerlaufendem Selbstzitat und Manierismus.
Man kann aufatmen. Absolut nichts davon nämlich ist jetzt in Malicks neuem Film EIN VERBORGENES LEBEN zu spüren! Und wenn man sagt: „Terrence Malick ist endlich zurück!“, dann meint das weniger den Umstand, daß es seit dem Abschluß der Dreharbeiten zu EIN VERBORGENES LEBEN in 2016 noch einmal ganze drei Jahre dauerte bis zur endgültigen Fertigstellung des Films, sondern vielmehr, daß dieser in seiner Kunst und ja auch bekannt langmütigen Arbeitsweise so eigene Regie-Altmeister schlichtweg seinen Platz in der Meisterliga behauptet hat. Oder besser gesagt: souverän in diese zurückfand.
Es mag sein, daß das Sujet von EIN VERBORGENES LEBEN einiges dazu beitrug. Erzählt wird, basierend auf wahren Begebenheiten, von dem Almbauern Franz Jägerstätter (1907–1943). Auf seinem Hof in der Nähe des 500-Seelen-Ortes St. Radegrund führt der mit seiner Frau und drei gemeinsamen Töchtern ein so einfaches wie glückliches Leben. Verwurzelt und bodenständig, Gottgläubig und belesen ist dieser Jägerstätter. Beliebt im Ort außerdem. Bis die Zeiten anfangen, sich zu ändern. Bis ein Gift in die Hirne der Menschen sickert und die dörfliche Gemeinschaft in eine Blut-und-Boden-Meute deformiert. Und Österreich erst begeistert heim ins Reich und dann das Reich bald in den Krieg zieht.
Einen Krieg, den Jägerstätter ebenso offen ablehnt, wie er die Nationalsozialisten ablehnt. Womit er sich und seine Familie erst zu scheel beäugten, später offen angefeindeten Außenseitern im Ort macht. Ein Zustand, der sich verschlimmert, als Jägerstätter nach seiner Einberufung den Kriegsdienst verweigert. Gilt auch für das Kompromißangebot, das man ihm unterbreitet: Statt als kämpfender Soldat könne er auch als Sanitäter im Heer dienen. Den Treue-Schwur auf den Führer erfordert allerdings auch das. Und genau das, das kann er dann einfach nicht, der Jägerstätter.
Es ist ihm im tiefsten wörtlichen Sinne unmöglich. Er geht ihm einfach nicht über die Lippen, dieser Schwur; würde der doch mehr kosten, mehr zerstören als die Verweigerung, ihn zu leisten, dann noch kosten und zerstören wird. Was Jägerstätter weiß, wie intuitiv auch immer, und was dieser Film einen dann tatsächlich erahnen und erspüren läßt.
Daß nämlich all die Liebe, die hier zwischen Jägerstätter und seiner Familie in still beobachtenden, zärtlichen und berührenden Tableaus gezeigt wird, daß all die Schöpfungs-Schönheit, die Natur, in der diese Menschen hier leben, und die Malick einmal mehr in einem gleichsam gemäldehaft grandiosen und meditativen Bilderstrom ausbreitet, das all das, was dieses Dasein bereichert und in seiner Substanz ausmacht, in dem Moment hinfällig, vergiftet, hohl, verlogen und falsch wird, wenn Jägerstätter diesen Schwur leistet. Natürlich: Der Preis, den Franz dafür zahlt, ist verdammt hoch.
Und dennoch: Es ist frappierend, in welche auch tröstlich schöne Schwerelosigkeit Malick die moralische und emotionale Wucht dieser Geschichte zu transformieren vermag. In diesem Film, der sich auch darin geradezu monolithisch abseits des Zeitgeistes plaziert.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.