Los ging’s mit einer Fummelei. Aus der wurde Gewohnheit. Für den schlaksigen Jonathan später Gewißheit. Er empfand von Beginn an schwul, während der plüschige Bobby mit den Rehaugen den Begriff Freundschaft in seiner Naivität einfach weiter auslegte.
Da Bobby so jung seine Eltern verlor, galt er den Glovers fortan als eigenes Kind, wodurch er sich das Zimmer mit Jonathan teilte, was eben zur schon erwähnten Krabbelei unter der Kinderbettdecke führte. Nach einer eher beschaulichen Jugend in Cleveland, der sich Jonathan früh entzog und nach New York ging, verschlägt’s auch den ländlichen Bobby irgendwann ins East Village, wo er Jonathan besucht. Der lebt mit einer Frau zusammen, freundschaftlich, und schon bald entflammen Liebesbande zwischen Bobby und Claire. Die drei scheinen unzertrennlich, sie kaufen sich ein Haus. Einen Hafen, endlich ein richtiges Zuhause ...
Der güldene Schein trügt, denn auch in Michael Mayers beachtlichem Spielfilmdebüt klopf die Dissonanz an der Harmoniepforte. Das Gefühl der Vernachlässigung schleicht sich ein, echte Eifersucht, Zukunftsängste und schließlich auch Krankheit kündigen sich an, alte Wunden der Liebe klaffen neu auf. Zum Schluß spielt die Handlung in den frühen 80ern, wo sich viele junge Schwule in Unwissenheit mit einem bisher unbekannten Virus infizierten. Das ganz dramatische Ende spart Mayer aber aus. Er läßt die Hoffnung über allem stehen, entläßt seine Helden in ein emotionales Minenfeld zwischen Songs von Yazoo und Leonard Cohen. Ihm gelingt dieser eigentlich drei Jahrzehnte umfassende Reigen zur einfühlsamen Ballade übers Erwachen, über tiefe Freundschaft. Dabei überschreitet er niemals den schmalen Grat zum Kitsch, beobachtet dafür sehr sensibel, rein intuitiv deutet er die Verletztheit seiner Figuren an. Daher verkommt diese Suche nach dem Glück, ja, der Wunsch nach perfekter Harmonie, nie zur Gutmenschelei. Das Heim der Drei ist weit entfernt von einem putzigen Krähwinkelglück.
Zurückhaltung in den Mitteln hätte auch dem Ausstatter gut getan, gerade was die Frisuren seiner Helden betrifft: die Menschen in den 70ern waren sicher in großem Maße modisch recht unentschieden, mitunter auch geschmacklos, blind aber waren sie deshalb nicht. Trotzdem ein fabelhafter Film.
Originaltitel: A HOME AT THE END OF THE WORLD
USA 2003, 95 min
Verleih: Solo Film
Genre: Drama, Erwachsenwerden, Schwul-Lesbisch
Darsteller: Dallas Roberts, Colin Farrell, Robin Wright Penn, Sissy Spacek
Regie: Michael Mayer
Kinostart: 09.12.04
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.