Originaltitel: EISENSTEIN IN GUANAJUATO

NL/Belgien/Finnland/Mexiko 2014, 105 min
FSK 16
Verleih: Salzgeber

Genre: Drama, Biographie, Schwul-Lesbisch

Darsteller: Elmer Bäck, Luis Alberti, Maya Zapata

Regie: Peter Greenaway

Kinostart: 12.11.15

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Eisenstein in Guanajuato

Siesta mit Verlängerung

Im Jargon junger Menschen gesprochen, ist Peter Greenaway „voll 80er.“ Deutsch-östlich residierende Cineasten mögen noch „voll 90er“ gelten lassen. Denn damals hat uns der britische Kunstfilmer mit wagemutigen, kaum faßbaren und alle prallen Sinne feiernden Werken das Staunen gelehrt. Wer sich vom Ton-Bilder-Rausch in DER KOCH, DER DIEB, SEINE FRAU UND IHR LIEBHABER oder DIE BETTLEKTÜRE nicht einlullen oder wegfegen ließ, war selbst schuld. Oh, Kult! Als sich Greenaway schon früh zu Multimedia bekannte, sein Schaffen in die Parallelwelt aus Leinwand, CD-Rom (!) und TV schickte und neuer Sperrigkeit Tür und Tor öffnete, geriet er aus dem Blickfeld selbst der Spezies. Wer, bitteschön, hat sein auch in Leipzig gedrehtes Mammutbaby THE TULSE LUPER SUITCASES jemals laufen gesehen?

Daß Greenaways EISENSTEIN IN GUANAJUATO das Berlinale-Programm 2015 würde bereichern wollen, erschien zunächst als Akt der Gnade gegenüber einem 73jährigen. Und dann? Ist es eine Komödie, die sich trotz aller Zeitraffer, -lupen und -dokumente sowie aberwitzigen Kamerafahrten „wegguckt.“ Für Greenawaysche Verhältnisse! Es geht wirklich um die sowjetische Regielegende Sergej Eisenstein, doch weniger um sein Schaffen, mehr um die freie Interpretation einer Freizügigkeit. Denn als er 1931 nach Mexiko reist, um nach wuchtigen Heimatfilmen wie PANZERKREUZER POTEMKIN in der Fremde zu drehen, kommt dem quirlig-strubbeligen 33jährigen ein schöner Mexikaner namens Palomino Cañedo zu nahe. In wirklich allen Belangen wird er Eisensteins Neugier zu befriedigen wissen, ist für ihn Führer und Fahrer, zeigt ihm Land, Leute und was in seiner Hose ist, verlängert die Siesta um entscheidende Einführungen, bringt Eisenstein dermaßen aus der Fassung, daß dieser – in Anlehnung an einen selbstgewählten Film-Untertitel – atemlos resümiert: „Zehn Tage, die Eisenstein erschütterten.“

Der Finne Elmer Bäck spielt diesen Exaltierten mit einer Vehemenz aus Flatterei und Clownerie. Das kann und wird auch nerven, weil es Grenzbereiche schrammt und überschreitet, weil Peter Greenaways unverkennbarer Zwang zu Übermaß und Orgie in den Jahren keineswegs abgeflacht ist. Völlig lächerlich aber ist die Tatsache, daß EISENSTEIN IN GUANAJUATO – bei dieser klar zu beschreibenden Klientel potentieller Zuschauer – deutsch synchronisiert wurde. Das ist im Grunde nicht zu ertragen.

[ Andreas Körner ]