CH/D 2018, 92 min
FSK 6
Verleih: Majestic
Genre: Dokumentation, Polit
Regie: Markus Imhoof
Kinostart: 26.04.18
Verheißungsvoll glitzert eine Goldoberfläche in der ersten Einstellung – Eldorado, das goldene Land. Sie stellt sich jedoch schnell als knittrige Wärmefolie heraus, ein notdürftiger Schutz, der nur ein Minimum an Hoffnung spendet und gleich zu Beginn des dokumentarischen Essays ELDORADO eine traurige Ernüchterung vorgibt. Die aktuelle Lage der Migration zu beleuchten, Mißstände aufzuzeigen und sie anzuprangern – auch ELDORADO versucht es, und wir kennen ähnliche Bilder wahrscheinlich bereits. Aber nicht in die Erzählung eingebettet, die uns Markus Imhoof klug bereithält.
1945 kam das italienische Mädchen Giovanna als Ferienkind aus dem ausgebombten Mailand in die kriegsverschonte, neutrale Schweiz. Ihre Mutter war zu krank, um sie zu versorgen, so nahm Imhoofs Familie sie bei sich auf. Der kleine Markus hatte bald eine Seelenverwandte in ihr gefunden und durch sie einen veränderten Blick auf die Welt. Heute fühlt sich der Filmemacher erinnert, fährt nach Italien, betritt das Schiff der Marinemission „Mare Nostrum“, das Boote mit hilfesuchenden Menschen aus dem Meer rettet und ans italienische Festland bringt. Er geht in die illegalen Arbeitsghettos der italienischen Mafia. Dort arbeiten Geflüchtete unter schlimmsten Bedingungen auf Tomatenfeldern, welche dann durch EU-Subventionen in Afrika an die verkauft werden, die die Geflüchteten zurückgelassen haben. Und er hinterfragt die Willkommenskultur der Schweiz. Fein montiert erscheinen zwischen den aktuellen Bildern die Erinnerungen an Giovanna. Imhoofs angenehme Erzählerstimme tritt mit ihr ins Zwiegespräch – und Giovanna antwortet.
Die persönliche Verknüpfung zu der durch Medien und mittlerweile einige filmische Beschäftigungen visuell bekannten Thematik ermöglicht uns einen dynamischen und intimen Zugang, der berührt. In der klugen Doppelbewegung zwischen geschichtlicher Kontextualisierung und heutigen Auswirkungen werden Analogien gezogen, die sonst nicht entstehen würden. Wann dürfen Fremde die Ländergrenze übertreten, als sogenannte Ferienkinder, als Filmemacher auf Bildersuche, als Flüchtende vor Krieg und Terror?
ELDORADO hinterläßt beim Zuschauer aber auch Fragen des Bilderproduzierens und Filmemachens, bildpolitisch, ob schöne Bilder an solchen Orten des Leids möglich sind, oder man die politische Situation nutzen kann, um eine eigene Geschichte zu erzählen.
[ Katharina Wittmann ]