Gleich zu Beginn sieht man die vollbusige Schönheit Anita Ekberg in der legendären Szene aus Fellinis LA DOLCE VITA in der Fontana di Trevi tanzen.
Zu diesem Brunnen zieht es auch Elsa, eine hochbetagte Dame, offiziell verwitwet. Ihrem Dahingeschiedenem fehlte stets der Elan nach Rom zu reisen, ihm war Elsa eh zu wild und zu jung, eine Alte im Mädchenkleid. Diese anstrengende Mischung wird Fred bald erfahren, zieht der rüstige Herr doch tatsächlich in die Nachbarswohnung der ungestümen Alten ein. Freds selige Frau verstarb erst kürzlich, die rechte Betthälfte wird nun vom treuen Hund Bonaparte gewärmt, und Fred läßt sich so ein wenig gehen. Bei der ersten Begegnung mit Elsa gibt er sich noch recht borstig-reserviert, doch bald läßt er sich von ihrem Schwung mitreißen. Das Eis brach ihre unermüdliche Fragerei, wie denn seine Frau so gewesen sei: "Ja, nun, ja, sie war sehr ordentlich ..." Ordentlich? Als die erschrockene Elsa ihm ganz unverblümt ins Gesicht sagt, daß er bei ihr bleiben solle, wenn er in Zukunft öfter lachen möchte, sind es nur noch wenige Blicke und zufällige Berührungen, bis die beiden närrisch turteln, tanzen gehen, sich körperlich verausgaben, die Zeche prellen - kurzum, all das tun, was man so tut, wenn man schwer verliebt ist.
Und natürlich sind es auch hier wieder die (erben wollenden) Kinder, die mit größter Skepsis das alberne Verhalten der Alten beäugen, anstatt sich dieses dritten Frühlings zu erfreuen. Elsa, der Frohsinn auf Beinen, hat allerdings ein großes Talent zur Lüge, zum charmanten Schwindel wohlgemerkt, und daraus resultiert auch ihr Schweigen, was ihren tatsächlichen Gesundheitszustand betrifft. Doch der wachsame Freund sieht die Zeichen der Zeit und verreist mit Elsa. Nach Rom. Dort wird aus Elsa Anita ...
Eine wirklich herzzerreißend schöne Geschichte, die uns der Spanier Marcos Carnevale da erzählt. Ein Hymnus auf die große Liebe, an den Lebensmut, auf das Bewahren von Träumen, auf den Widerstand gegen die Konventionen. Ein humanistischer Appell für das Wagnis, alte Marotten und Schrullen zu überwinden, und sich dem puren Gefühl zu ergeben. Das rührt bisweilen zu Tränen, das besticht mit herrlichem Witz, der sich oft aus einer gehörigen Dosis Selbstironie der Alten nährt und verzaubert durch so wahre Sätze wie Freds "Du bist die süße Ausschweifung meines alten Herzens". Und nicht zuletzt ist dieser fabelhafte Liebesfilm ein entschiedener Tritt in den noch faltenfreien Hintern all jener, die schon jung nix anderes zu tun haben, als sich ganztags vor dem Alter zu fürchten. Auch für derartige Sinnlosigkeiten hat Elsa einen rettungslos optimistischen, beinahe philosophischen Ansatz parat, als sie über das Stadium der frischen Liebe ihrem Arzt das Herz ausschüttet: "Wir sind noch ganz am Anfang."
Originaltitel: ELSA Y FRED
Spanien/Argentinien 2005, 108 min
Verleih: Arsenal
Genre: Tragikomödie, Liebe
Darsteller: China Zorilla, Manuel Alexandre
Regie: Marcos Carnevale
Kinostart: 13.04.06
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.