Originaltitel: EMILY

GB 2022, 130 min
FSK 12
Verleih: Wild Bunch

Genre: Drama, Biographie

Darsteller: Emmy Mackey, Alexandra Dowling, Fionn Whitehead, Oliver Jackson-Cohen, Adrian Dunbar

Regie: Frances O’Connor

Kinostart: 24.11.22

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Emily

Contenance, Miss Brontë, Contenance!

Emily Brontë hat es mit nur einem einzigen Roman in den englischen Literaturkanon geschafft. „Wuthering Heights“, jener 1847 unter männlichem Pseudonym veröffentlichte Schmöker um die in zerstörerischer Liebe aneinandergeketteten Seelenzwillinge Heathcliff und Cathy, war den Zeitgenossen suspekt. Die postmoderne Nachwelt aber entzündete sich an dem Stoff. So stürmte etwa Artrock-Sirene Kate Bush mit dem gleichnamigen Song 1978 die Höhen der britischen Charts. Patti Smith, Godmother Of Punk und bekennende Brontë-Verehrerin, schrieb der durchs nordenglische Moor irrlichternden Untoten-Romanze 2014 sogar ein neues Vorwort.

Solche popkulturellen Aufwertungen erhoben das One-Hit-Wonder Emily Brontë selbst zur Ikone. Ihr früher Tod trug, natürlich unfreiwillig, zur Legendenbildung bei. Sie starb 30jährig – knapp zu spät, um in den Genialitätstheorien zum sogenannten 27er-Klub eine Rolle zu spielen. Dies ist nun das Biopic zur Legende, eine über die wenigen bekannten Eckdaten extemporierende, postfaktische Charakterrekonstruktion der viktorianischen Poetin, die – auch das gehört zur Mystifizierung – vollendet unvollendet blieb, schon aus Mangel an Lebenszeit. Kulisse ist das elterliche Anwesen in Haworth, Yorkshire. Unter dem Regime des Pfarrers und verwitweten Vaters wachsen die vier Brontë-Kinder zu erstaunlich arabesken Persönlichkeiten heran. Die zerzauste Landschaft, die Geschwister-Konkurrenzen und die einengende Biederkeit der Epoche feilen am Look & Feel dieses fiktionalen Außenseiterinnenporträts. Vor allem aber bedient sich die hier erstmals ins Drehbuch- und Regiefach gewechselte Schauspielerin Frances O’Connor an den Motiven von „Wuthering Heights“, als sei der nicht nur literarisches, sondern eben auch Lebensvermächtnis.

Biographik als belletristische Lektüreerfahrung? Warum nicht?! Aber fügt sich die ins Unheil watschelnde Lovestory, die O’Connor ihrer Heroine auf den Leib schrieb, wirklich ins Bild? Hätte ihr Film nicht trotziger aus dem Period-Piece-Standard heraustreten müssen, um der Ungezähmtheit, die man Emily nachsagt, tatsächlich gerecht werden zu können? Nein, O’Connor ist keine Kinorevoluzzerin. Sie mag es – bei aller Liebe zu verwehtem Haar und ungeordneten Seelenzuständen – dann doch eher gepflegt und in damenhafter Haltung. Ihre EMILY paßt zum Nachmittagstee, keine Sorge.

[ Sylvia Görke ]