Mensch, wenn man an MEIN BRUDER, DER VAMPIR von Sven Taddicken denkt, da wird einem ob des Übermaßes an Ambition und Gutmenschelei noch heute ganz schummrig. Und was macht der Junge plötzlich? Einen guten Film, einen verdammt guten sogar, einen herrlich märchenhaft-skurrilen noch dazu. Er läßt einfach zwei Menschen aufeinander knallen, die so verschieden und vermutlich dadurch füreinander bestimmt waren. Denen aber auch die Zeit davon läuft: Emma, einer jungen, resoluten Bäuerin, die ihren Hof verlieren wird, wenn sie nicht Geld auftreibt, und Max, der am fiesesten aller Krebsgeschwüre leidet, an der Bauchspeicheldrüse hat das Biest sich festgehakt. Knallen war da schon der richtige Ausdruck, da Max mit knapp 200 Sachen verunfallt und mit dem geklauten Jaguar auf dem frühsommergrünen Hof der Schweinemagd landet. Er ziemlich verletzt, sie beflissen derart rustikales Verbandszeug zur Hand, das man wahrscheinlich schon zu Kriegszeiten mit spitzen Fingern angefaßt hätte. Max bleibt bei ihr, macht sich so ein wenig nützlich am Hof, was nicht immer gut geht: Emma liebt ihr Moped, weil sie damit über die Felder rasen kann und dieses holpernde Gefährt sie zu höchsten erotischen Wonnen führt. Gruß an die Unwucht im Schwungrad! Und was macht Max, der Tolter, der Hühner schon mal ungeschickt mit der Zange rupft? Will doch nur helfen und repariert die Karre ...
Und doch sehen beide sich immer öfter tief in die Augen, und doch kommen sie zusammen, weil es eben auch ein Märchen ist, was hier erzählt wird. Eines mit einem ganz außergewöhnlichen, auch mutigen Schluß, mit einer gehörigen Dosis Schrulligkeit, die manchmal an den frühen Buck erinnert, und eines mit Gefühl. Und hier zeigt sich das Taddickensche Geschick in voller Pracht: eine romantische Liebe zu inszenieren, gegen die sich die Zeit unerbittlich stellt, ohne plumpes Sentiment, ohne Tränendrüse, aber mit viel Witz, Wärme und herrlich ungelenkem Sex, bei dem die Agierenden auch lachen dürfen, weil es ja nun wirklich Ernsteres gibt.
Ganz fabelhaft ist auch das Zusammenspiel von Jürgen Vogel und einem neuen Leinwandgesicht. Dem von Jördis Triebel, die uneitel, in vollem Körpereinsatz und auch mal mit ’ner abgefahrenen Wumme in der Hand ein im deutschen Film eher seltenes Frauenbild zeichnet. Eines, was übrigens klare Worte bevorzugt im Angesicht ihres schwerkranken Liebhabers: "Könntest Du in Zukunft einfach kotzen, ohne Dich ständig zu entschuldigen?"
D 2006, 99 min
FSK 12
Verleih: Pandora
Genre: Liebe, Tragikomödie
Darsteller: Jürgen Vogel, Jördis Triebel, Hinnerk Schönemann, Nina Petri
Stab:
Regie: Sven Taddicken
Drehbuch: Claudia Schreiber, Ruth Thoma
Kinostart: 17.08.06
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.