Originaltitel: EMPIRE OF LIGHT
GB/USA 2022, 116 min
FSK 12
Verleih: Disney
Genre: Drama, Liebe
Darsteller: Olivia Colman, Micheal Ward, Colin Firth, Toby Jones
Regie: Sam Mendes
Kinostart: 20.04.23
Schaut man hinter die Handlungskulissen, dreht ein paar Klemmschrauben im Kopf und verortet Emotionen an passenden Stellen, fügt sich ein faszinierendes Gedankenspiel zusammen, das Sam Mendes seinem Film zugrunde legt: Das Kino braucht Dunkelheit zum Existieren – die Liebe nicht. Kann sie trotzdem dagegen bestehen?
Mendes’ Antwort tendiert zum Nein, er fährt viel auf, um die These zu stützen, letztlich zu viel. Da wäre zunächst Hilary, leitende Angestellte eines angejahrten Kinos, sich dort quasi versteckend. Vor den finster herüberdräuenden Schatten einer verletzenden Kindheit, ihrer bipolaren Störung außerdem. Medikamente halten die Erkrankung auf Kurs und Hilarys Leben in dumpfer Ruhe, so erträgt sich der schnelle Bürosex mit dem schmierigen Chef auch leichter. Bis Stephen auftaucht, ein neuer Kollege, jung, tierfreundlich, zugewandt. Eine Zuneigung erblüht, Hilary ignoriert irgendwann die Pillenflasche …
Brillante Darsteller lassen sich kongenial aufeinander ein, ungeachtet grundsätzlich ziemlich behaupteter Annäherung wirkt wahrhafte zwischenmenschliche Magie, welche Mendes aber nicht adäquat weiterträgt. Er schenkt dem alten Lichtspieltheater mehr Aufmerksamkeit als den Charakteren, seine Hingabe umschmeichelt verkitscht-nostalgische Ausstattung und abgeranzte Inneneinrichtung, dieses Haus hat weit bessere Tage gesehen, der schon lange ungenutzte obere Stock ähnelt einem Lost Place – total heruntergekommen, indes von melancholischer Schönheit, voller Erinnerungen, dem Nachhallen ereignisreicher Nächte, sich begegnender Menschen. Mendes akzentuiert sorgfältig Licht, lauscht gespannt Ausführungen zur Illusion der Bewegung, ergötzt sich an 24 Bildern pro Sekunde. Und verliert dabei halbwegs aus den Augen, daß es um die Geschichte zweier Liebender gehen sollte.
Zweier auf ausgewählte Merkmale reduzierter Liebender allerdings. Hilarys psychische Instabilität muß ebenso zur Haupteigenschaft genügen wie Stephens dunkle Hautfarbe. Wenige Schlagworte und ein Poster von SCHÜTZE BENJAMIN geben ergänzend Auskunft über den Zeitrahmen: 1980er. England unter Thatcher, luftabschnürende Enge. Rassismus, Übergriffe. Es fällt schwer, jener Liebe echte Chancen einzuräumen, Mendes tut zudem wirklich alles, sie zu verkomplizieren. Und noch mal, noch mal, noch mal.
Unangezweifelt gibt’s darin wunderbare Szenen, manchmal sogar große Berührung; etwa, wenn Hilary auf Stephens (ungefähr gleichaltrige) Mutter trifft, die visuelle Weite plötzlich ein Gefühlsäquivalent findet. Oder Olivia Colman einfach nur Schmerz und Hoffnung in einem Blick bündelt, Gegenpart Micheal Ward dazu würdevolle Stärke kombiniert. Und dann funkt wieder Mendes dazwischen.
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...