Eine Warnung vorweg: Da sich die Handlung von ENTTARNT um einen der größten und somit beim amerikanischen Zuschauer bekanntesten US-Spionagefälle dreht, wird das Ende mal eben an den Anfang gestellt. Das weniger gut informierte deutsche Publikum, welches primär einen Thriller sehen möchte, mag dies irritieren.
Am generellen Qualitätslevel rüttelt der Kniff aber trotzdem nicht, das Kammerspiel funktioniert sowieso eher als "Wie?" denn "Ob?". Es ist die Geschichte zweier FBI-Agenten, des jungen Heißsporns O’Neill und des alten Hasen Hanssen. Letzterer steht schon lange unter Verdacht, streng geheime Informationen an die Sowjets zu verkaufen, was unter anderem zur Ermordung einiger Kollegen führte. Doch es fehlt an Beweisen, und darum wird O’Neill dem möglichen Doppelagenten als Assistent zur Seite gestellt, allein zum Zweck der Informationsgewinnung und Überführung.
Knapp zwei Stunden lang schleicht nun die Kamera träge durch klaustrophobisch enge Korridore, fängt die im Grunde unspektakuläre Schreibtischarbeit der zwei Protagonisten ein, schaut ihnen beim gegenseitigen Belauern zu, dokumentiert unerbittlich jeden Schritt auf dem Weg in die finale Konfrontation. Nicht zuletzt entlarvt sie dabei FBI-Arbeit als dröge Abfolge von Alltäglichkeiten jenseits der krachledernen Kino-Spionage. Kein Wunder, daß sich mancher da vom Reiz des Verbotenen gelockt fühlt, Grenzen überschreitet. Auch O’Neill wird im Laufe der Ermittlungen immer mehr die Seiten wechseln, lügen, betrügen, vom aufrechten Gesetzeshüter zum berechnenden Henker mutieren.
Doppelbödig und psychologisch genau seziert ENTTARNT die dunkle Seite des Menschen, ohne wilde Verfolgungsjagden, Schußwechsel oder altbekannte Spannungsmomente. Zwangsläufig kennt auch dieses Machtspiel letzten Endes keine Gewinner. Der Film dagegen präsentiert einen klaren Sieger: Chris Cooper. Seine Charakterstudie des zerrissenen Hanssen, Katholik und liebevoller Familienmensch auf der einen, buchstäblich über Leichen gehender Doppelagent auf der anderen Seite, ist atemberaubend intensive Schauspielkunst, die tiefer ins Mark fährt als jede spektakuläre Actionszene.
Originaltitel: BREACH
USA 2007, 110 min
Verleih: Central
Genre: Drama, Thriller, Polit
Darsteller: Chris Cooper, Ryan Phillippe, Laura Linney, Caroline Dhavernas, Gary Cole, Dennis Haysbert
Regie: Billy Ray
Kinostart: 18.10.07
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...