Originaltitel: LAMB
Äthiopien/F/D/Norwegen/Katar 2015, 94 min
FSK 6
Verleih: Neue Visionen
Genre: Drama, Schicksal
Darsteller: Rediat Amare, Kidist Siyum, Welela Assefa
Regie: Yared Zeleke
Kinostart: 26.11.15
Die Frage, für wen ein Film am Ende gedreht wird, stellt sich immer. In Ländern fernab vom cineastischen Fokus sowieso. Afrika? Zum Beispiel. Äthiopien? In besonders exotischem Maße. So ist EPHRAIM UND DAS LAMM des einheimischen Regisseurs Yared Zeleke der erste äthiopische Streifen, der es ins Programm von Cannes geschafft hat, was sicher auch an der Fünf-Länder-Finanzierung gelegen hat. Als Folge dessen lauert latent die Gefahr, daß das Werk so und so auszusehen hat, um vor allem international zu funktionieren.
Ephraim ist neun und kann keine Ochsen bewegen. Beim Antreiben des Gespanns fällt der zarte Junge in die Furche, die Peitsche fegt ins Gesicht von Onkel Solomon, anstatt die Tiere zu treffen. Ephraim will lieber kochen, doch das ist Frauenarbeit auf dem Land. Bei Verwandten wurde Ephraim nach dem Tod der Mutter „geparkt“, während Vater in die Hauptstadt ging, um Arbeit zu finden. Das neue Leben bei den nahen Fremden fällt ihm schwer. Trost findet Ephraim nur in Träumen und im Lamm Chuni, das er aus seinem Dorf mitnehmen durfte, und dem es nun ans Fell gehen soll. Das Fest der Kreuzerhöhung steht an, also das Schächten der Lämmer. Ephraim soll zeigen, daß er zum Manne taugt.
Es sind märchenhafte Züge, die EPHRAIM UND DAS LAMM einen wabernden Ton geben. Überraschungen sind in der Handlung nicht vorgesehen, dafür die gesamte Palette Folklore und Lebensart, die in schwachen Momenten allzu erklärerisch daherkommt, in starken über die Optik funktioniert, speziell, wenn Hierarchien und Verbindlichkeiten zu sehen sind, die das Familiengefüge stützen: Die alte Emama hält als thronende Respektsfrau den Laden zusammen und beschützt den ihr Anvertrauten. Die junge Tsion steht hingegen für Aufbruch und Hoffnung einer ganzen Nation. Sie liest und wehrt sich gegen eine automatische Heirat. Sie will weg. Und geht! Die Männer aber, bis runter zu den rivalisierenden Jungs im Ort, scheinen wie gefangen im Korsett der Erwartungen.
„Man braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen“, heißt es in Äthiopien. Ephraim, so scheint es, würden ein Vater, eine Mutter, eine Kochstelle und sein Lamm genügen. Der Rest ist Einsicht in die Notwendigkeit. Die erzählerische Kraft von Abderrahmane Sissakos TIMBUKTU aus dem Vorjahr hat EPHRAIM UND DAS LAMM nicht, dürfte aber im hiesigen Schulkino gut aufgehoben sein. Wegen der Perspektive.
[ Andreas Körner ]