D 2015, 116 min
FSK 12
Verleih: Constantin
Genre: Satire, Literaturverfilmung
Darsteller: Oliver Masucci, Christoph Maria Herbst, Katja Riemann
Regie: David Wnendt
Kinostart: 08.10.15
Deutsches Kino und Satire – das klang bis eben wie ein meist schlechter, in Regelmäßigkeit rohrkrepierender Witz. Klar, ein paar Male ging es auch gut: ALLES AUF ZUCKER! war herrlich, SCHTONK! außerdem, und selbst ROSSINI blieb unvergeßlich. Gut, DER UNTERGANG war auch astreine Satire, das hatten nur nicht alle mitgekriegt. Drumherum aber viel gut Gemeintes und gegensätzlich Geratenes.
Und nun kommt doch zur Ehrenrettung David Wnendts ER IST WIEDER DA ums Eck, und seine Verfilmung des gleichnamigen, sich einst prächtig verkaufenden Buches ist nicht weniger als grandios. Warum? Nun, Wnendt fährt Vollgas, kein Zögern, kein Zaudern, er zeichnet ein ätzendes, galliges, bitterböses, entlarvendes und vorerst schreikomisches Bild einer seltsamen Renaissance. Und er hält dem aktuellen Deutschland den Spiegel vor, all jenen Gut- und Wutbürgern, den Bedenkenträgern und Haßpredigern, den zahlreicher werdenden Gefühlsaktionisten und Politikautisten.
Kein Geringerer als Adolf Hitler entsteigt dem schwelenden Laubhaufen vor der Berliner Platte, die Uniform leicht lädiert, und Hitlers erste Sorge schon ein Brüller: „Ob Dönitz hier auch irgendwo rumliegt?“ Nein, Adolfs engster Gefolgsmann hatte sich zwar bis in die 80er Jahre rübergerettet, dann war aber auch mal Schluß, der Alte muß es nun allein richten. Und findet ein wenngleich verändertes, aber doch für seine Wiederauferstehung erschreckend offenes Land. Wobei die Rotzer, die den lädierten Führer aufspüren, erst einmal recht planlos sind: „Wat issen ditte für’n Opfer?“ Hitler selbst muß sich erst einmal sortieren, da es den „Völkischen Beobachter“ schon länger am Kiosk nicht mehr gibt, wird es ausgerechnet der linke „Freitag“ sein, der dem Alten in die Hände fällt. Daß er an einem Land zweifelt, in dem eine klobige Frau mit der Ausstrahlung einer Trauerweide die Regierung führt, und der zur Seite ein Wackelpudding steht, kann man dann fast verstehen. Hingegen mit den Grünen sympathisiert Hitler, schließlich ist Umweltschutz auch Heimatschutz! Dem bis dato braven TV-Journalisten Sawatzki kommt die Rückkehr Hitlers für die eigene Karriere mehr als gelegen, er macht sich mit dem Rotzbremsenträger auf eine Deutschlandreise, die in Sylt ihren – um mal im Bild zu bleiben – stürmischen Anfang nimmt und auf sächsischen Straßen ihr unliebsames Ende.
Der Trick Wnendts ist eigentlich ein entwaffnend einfacher, dabei extrem effizienter: Er inszeniert den Durchmarsch Hitlers zum omnipräsenten Medienliebling ganz fiktiv, montiert dazu real gefilmte Begegnungen auf der Straße. Und genau diese Schnipsel implizieren reichlich deppert feierndes Volk, ausgesprochen irritiertes Schnellreinigungspersonal und nervös nestelnde Benimmtrainer.
ER IST WIEDER DA ist ein filmischer Rundumschlag geworden, in dem eine in jeder Hinsicht mediokre, bräsig-hörige Gesellschaft und deren zum Extrem neigende Polkappen ihr Fett abkriegen: Die Hohlbirnen der NPD werden entlarvt, die Eierfeilen von der AfD gleich mit, und das lausige Koch- und Laberfernsehen schlägt dem Hitler gut nachempfindbar auf den Magen. Und wie nebenher wird diese ziemlich eklige Beflissenheit von Talkshowstrebern à la Plasberg sowie die Witzlosigkeit von den Sparkassenbärtchenträgern Joko und Klaas vorgeführt.
Und natürlich strahlt das Böse hier in einem besonders perfiden Glanze, da in noch jeder guten Satire das Fünkchen Wahrheit durchschimmert, das eben hier von einer großen Frustration oder, wie es der Filmhitler nennt, „stummen Wut über die Zustände“ weiß. Wnendt gibt aber gottlob nicht den schlaumeiernden Sozialkundelehrer, er zielt auf die 12 mit ätzendem Witz über ein sich zu alter Frische aufschwingendes, kaum abzuschüttelndes Spukgespenst, das schon mal eifrig Adressen notieren will für die erste Verhaftungswelle. In ER IST WIEDER DA darf sich ein merkwürdiges Volk entäußern und durchaus ernsthaft über Arbeitslager und den alles versauenden niedrigen afrikanischen IQ schwadronieren, worauf dem besorgten Zuhörer Hitler ein zum Niederknien witziges „Ich werde mich kümmern“ entfleucht.
Dieses Vermengen aus Realem und rein Fiktionalem wird zur filmischen Attacke, die Diskurssprengstoff und bestes Unterhaltungskino gleichermaßen bietet. Oliver Masucci spielt im übrigen diesen Hitler exzellent und läßt die endstaubige Performance Bruno Ganz’ noch lächerlicher als ohnehin erscheinen. Masucci als Hitler spuckt, tobt und donnert, er verzweifelt beim Einrichten einer E-Mail-Adresse und schaut in amouröser Verzückung zu einer von Katja Riemann gegebenen Senderchefin, die Hitler in ihrem Wesen als „lauernde Wölfin“ durchaus an die gute alte Leni R. erinnert.
Der grundgütige Empfang, der Hitler gemacht wird, hat schließlich ein Ende: Wenn Menschen erschlagen werden, hoppla. Der Mob aber tobt richtig, wenn ein Hündchen draufgeht. Und noch mal: Auch das hat nix Belehrendes in ER IST WIEDER DA, diese Beiläufigkeit, mit der auch von blindem Gehorsam, Unsicherheit und Feindlichkeit in Pegida-Zeiten erzählt wird, hat etwas Zwingendes. Und wahrlich Beängstigendes. Und schließlich an all jene Urgestrigen, die noch immer glauben, man dürfe über Hitler nicht lachen: Man darf und muß sehr wohl. Ein guter Witz könnte so beginnen: Liegt Hitler im schwelenden Laub vor einer Berliner Platte ...
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.