Der Schlepper Ludvik, ehemaliger Speedway-Landesmeister, lebt vom Menschenschmuggel. Er nimmt den jungen Rudi, der an der Rennbahn herumhängt, in sein Team auf. Rudi ist entsetzt darüber, wie die Flüchtlinge behandelt werden. In einen Kleinbus gepfercht und in nächtlichen Aktionen an die italienische Grenze gefahren zu werden, kostet nicht nur jeden Erwachsenen 1000 Euro - manchen Flüchtling kostet es das Leben. "Rezervni deli" (Ersatzteile) werden diese Menschen von den slowenischen Schmugglern genannt. Ihr eigenes Tun rechtfertigen sie mit dem vermeintlichen Wissen, daß es jenseits der Grenze nur noch schlimmer kommt, dort nämlich würden die Flüchtlinge betäubt, ausgeweidet und ihre Organe teuer verkauft.
Rudi ist zunächst bemüht, sich dem harten Umgang mit den Menschen zu verweigern. Aber der Wunsch, in die Schlepperbande integriert zu werden, ist stärker. Schnell paßt er sich den Gepflogenheiten an. Seine Beziehung zu dem älteren Ludvik spielt dabei eine wesentliche Rolle, ähnelt sie doch bald der zu einem Vater. Als Sohn will Rudi diesem in nichts nachstehen. Ludvik aber läßt ihn vor allem eines sehen, nämlich Härte ...
Der Regisseur Damjan Kozole wirft einen ungeschönten Blick auf unsere Zeit. Krsko, die einzige slowenische Stadt mit einem Atomkraftwerk, ist die Heimat seiner Protagonisten. Vor dem Hintergrund allgegenwärtiger Arbeits- und Per-spektivlosigkeit sowie einer erhöhten Krebsrate, erzählt er die Geschichte eines jungen Mannes, der sich wegen des unbedingten Anpassungswillens an sein Umfeld verändert. Kozole zeigt, wie diese Veränderung vor sich geht, Schritt für Schritt, fast schleichend, nahezu unbemerkt. Rudis Orientierung am Verhalten Ludviks ist bedingungslos und macht ihn am Ende selbst zum Abbild des Älteren.
Die Dramaturgie bindet den Zuschauer in diesen Prozeß ein. Daß die Rechtfertigung der Schlepper auf einer Lüge basiert, wird so fast nebenbei offenbar. Für Rudi spielt dies längst keine Rolle mehr. In einer Hinsicht scheint er gewonnen zu haben, denn ihm gelingt die Flucht vor der Einsamkeit. Was er dabei aber verliert, wird er am Ende auch vergessen haben: das eigene Ich.
Wenngleich Figuren und dramatische Handlung erfunden sind, Kozoles Film ist nicht bloße Fiktion. ERSATZTEILE ist ein Spielfilm und gleichzeitig ein schockierendes Abbild der Realität, dem man sich schwerlich entziehen kann.
Originaltitel: REZERVNI DELI
Slowenien 2002, 87 min
Verleih: jagec film
Genre: Drama, Tragödie, Erwachsenwerden
Darsteller: Peter Musevski, Aljosa Kovacic, Primoz Petkovsek
Regie: Damjan Kozole
Kinostart: 02.06.05
[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.