Hernaing, im Norden Frankreichs. Die einst florierende Region ist heute von 30% Arbeitslosigkeit gezeichnet.
Daniel Lefebvre ist Direktor an der Vorschule. Er ist passionierter Lehrer und hat Glück, kompetente und hingebungsvolle Kollegen zu haben. Aber Probleme sind dennoch vorprogrammiert. Das soziale Gefälle unter den Kindern ist zu krass. Einige der Kleinen kommen zerlumpt, ungewaschen und hungrig zum Unterricht. Die Mittel für die Schule werden jährlich gekürzt. Dadurch wird der eigentlich geringe Eigenbetrag der Eltern zwingend. Doch nicht mal das wenige Geld für kleine Geschenke zu Feierlichkeiten können manche aufbringen. Schon 30 Francs entscheiden über die Versorgung der Familie von Laetitia, einem kleinen Mädchen an Daniels Schule. Die sichtbar verzweifelte, alkoholkranke Mutter erklärt Daniel, daß die Familie davon eine Woche satt wird: von in Milch aufgelösten Keksen. Daniel scheut nicht den Konflikt mit den Politikern der Stadt. Er kämpft um soziale Verbesserung und landet schnell auf dem Kieker der Stadtherren. Auch Daniels nervliche Kapazitäten sind begrenzt. Als er Laetitias Mutter mit keiner schnellen Lösung aus ihrer Not helfen kann, kommt es zur Katastrophe. Taverniers neuester Film ist weit entfernt vom traditionellen Wir müssen reden-Rotwein-Kino. Im Gegenteil: sein Film ist in voller Konsequenz ein universelles Werk über den drohenden Ausverkauf der Menschlichkeit. In allen benachbarten Industriestaaten könnte seine ergreifende Geschichte spielen. Daniels Kampf gegen die Borniertheit der Behörden und die Gefallsucht egomanischer Politiker können überall dort stattfinden, wo Industrie und damit Arbeitsplätze wegbrechen. Auch in Glasgow oder Mecklenburg Vorpommern. Tavernier beschränkt sich glücklicherweise nicht darauf, Daniel als den geborenen Gutmenschen zu porträtieren. Auch bei ihm werden Risse sichtbar. Das macht diese Sozialstudie so ergreifend und glaubwürdig.
Originaltitel: ÇA COMMENCE AUJOURD’HUI
F 1999, 117 min
Verleih: Arsenal
Genre: Drama
Darsteller: Philippe Torreton, Maria Pitaressi
Regie: Bertrand Tavernier
Kinostart: 23.12.99
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.