Der Kampf schrieb als "Schlacht von Wetzlar" Boxgeschichte: Edison Miranda gegen Mittelgewichtsweltmeister Arthur Abraham. Nach vier Runden saß der Champion mit schmerzverzerrtem, deformiertem Gesicht in der Ecke. Blut schoß aus seinem Mund, der Kiefer war gebrochen. Der Fight schien am Ende. Abbruch lag auf der Hand. Der Ringrichter und Mirandas Team waren dafür. Der Supervisor und Abraham selbst dagegen.
Zu Beginn des Films werden jene drastischen Bilder vom September 2006 noch einmal gezeigt. Bilder, in denen sich alles manifestiert, was man am Boxen faszinierend und abstoßend finden kann. Daß Abraham sich dann mit gebrochenem Kiefer über acht Runden zum Sieg kämpfte, verlieh ihm zwangsläufig die Aura des Übermenschlichen. Dramaturgisch ein effektvoller Kniff, ES GEHT UM ALLES mit diesen Wetzlar-Bildern zu eröffnen - um gleich darauf, einen so schief wie charmant grinsenden Abraham zu zeigen. Das Tier und das Kind im Manne. Und der Mann selber, ein Jahr nach dem großen Fight.
Nina Pourlak hat - und das mag mit Blick auf dessen Sujet etwas seltsam klingen - einen geradezu reizenden Dokumentarfilm gedreht. Das Porträt eines Boxers und seines Coachs. Und eine zurückhaltende Betrachtung ihres Verhältnisses zueinander. "King" Arthur Abraham und sein Trainer Ulli Wegner können auf den ersten Blick verschiedener nicht sein. Da der gebürtige Armenier, ein offenherziger Typ mit reichlich jungenhaftem Charme. Und dort das DDR-Sport-Urgestein. Nicht umsonst mit dem Spitznamen "General" tituliert. Ein harter Hund, der fordert und fordert und fordert.
Der Reiz an ES GEHT UM ALLES ist, daß und wie Pourlak hinter dem so professionellem Arbeitsverhältnis dieser zwei Männer deren stillschweigende Zuneigungen zueinander freilegt. Und je länger Pourlaks Film dauert, desto klarer kristallisiert sich gar ein dann wohl doch nicht ganz so undramatischer Konflikt zwischen Abraham und Wegner heraus. Daß er sein Freund sei, wünscht der Boxer sich nämlich von seinem Coach. Und daß der es sage. Diesen Satz, den Wegner verweigert, will Abraham hören. Und so spielerisch, so grienend Abraham das auch in die Kamera spricht - den Herzenswunsch spürt man desto deutlicher. Und so macht diese Boxer-Doku tatsächlich spannend, daß man auf ein simples Geständnis der Zuneigung wartet É
D 2008, 94 min
Verleih: Neue Visionen
Genre: Dokumentation, Schicksal, Sport
Regie: Nina Pourlak
Kinostart: 15.05.08
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.