Originaltitel: EVERY THING WILL BE FINE
D/S/Kanada/Norwegen 2014, 115 min
FSK 6
Verleih: Warner
Genre: Drama
Darsteller: James Franco, Rachel McAdams, Charlotte Gainsbourgh, Marie-Josée Croze
Regie: Wim Wenders
Kinostart: 02.04.15
Diese Momente, die ein ganzes Leben verändern. Es zweiteilen in eine Zeit des „davor“ und danach“. In eine Zeit des „danach“, in der nichts mehr ist wie in der Zeit „davor.“ Auch wenn das Leben dann immer noch tut, was es eben tut. Weitergehen nämlich. In guten wie schlechten Tagen. In seinem neuen Film EVERY THING WILL BE FINE zeigt Wim Wenders die Stunden, Minuten, Augenblicke vor einem solchen Moment. Und er zeigt die Zeit danach. Eine Zeit, die zwölf Jahre umspannt, und die in konzentrierten Kapiteln schlaglichtgleich aufbereitet wird. Doch sind es jene Szenen bis zu dem Moment, in dem sich die Zeit teilt, die hier eine suggestive Dichte haben, die der Film danach so intensiv kaum wieder zu beschwören vermag: Man sieht einen Mann. Tomas heißt er, Schriftsteller ist er. Man sieht seine Fahrt mit dem Auto durch eine Winterlandschaft. Zuvor geschahen Kleinigkeiten: ein Telefonat mit der Geliebten, ein langer Blick auf einen See. Als im Auto das Handy klingelt, drückt der Mann den Anruf weg. Ganz offensichtlich gibt es nichts mehr zu sagen. Und dann ist da plötzlich dieser dumpfe Aufprall.
Der Unfall. Die Tragödie. Und diese Leerstelle zwischen „davor“ und „danach.“ Diese Leerstelle, die dann das Drehbuch Bjorn Olaf Johannessens und die Regie Wim Wenders’ ausdehnen, hin in die geradezu perfide Scheinberuhigung einer fantastischen Szene, die wie ein Aufatmen wider besseren Wissens ist. Denn gleich – man ahnt, man weiß es ja – kommt er doch noch. Der Moment, der einem das Herz stocken läßt. Tomas hat ein Kind überfahren. Und ohne, daß er Schuld hatte, wird das immer seine Schuld bleiben. Doch nicht das ist es, was EVERY THING WILL BE FINE umtreibt. Es geht vielmehr um Leerstellen (und schon die Schreibweise von EVERY THING deutet das an). Jene Leerstellen, die etwa der Tod eines Kindes bei seiner Mutter reißt. Oder beim Bruder.
Noch ein kleiner Junge zum Zeitpunkt der Tragödie, wird dieser zwölf Jahre später, im letzten Akt der Geschichte, als junger Mann vor Tomas stehen. Dem Schriftsteller, in dessen tiefstem Gefühlsinneren vielleicht immer schon kaum mehr als eine Leerstelle klaffte. Möglich, daß ihm deshalb auch alles zum Stoff seiner Bücher wird. Liebe und Tod, sein dementer Vater, Kinder und Frauen. Und möglich auch, daß deshalb die doch recht schmale Ausdrucksbreite James Francos, diese gewisse mimische Leerstelle, seiner Rolle des Tomas tatsächlich gerecht wird.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.