Originaltitel: FAHRENHEIT 11/9

USA 2018, 128 min
FSK 6
Verleih: Weltkino

Genre: Dokumentation, Satire, Polit

Regie: Michael Moore

Kinostart: 17.01.19

1 Bewertung

Fahrenheit 11/9

An der Schockstarre rütteln

Jetzt, da im Weißen Haus der Worst Case wohnt, welcher in unerschöpflicher Alltäglichkeit und schnell erschöpftem Wortschatz vorführt, wie kongruent sich Machtfülle und Lächerlichkeit zueinander verhalten können (was, nur um es gesagt zu haben, weder neu noch spezifisch amerikanisch ist); jetzt, da sich alle Befürchtungen und Ressentiments einer liberalen bis linken Klientel erfüllt und auf diese eine Person im Weißen Haus fixiert haben – jetzt also ist er endlich wieder da: Michael Moore, der Unvermeidliche, der Mann, der das progressive Amerika aus seiner Schockstarre befreien will. Und tatsächlich könnte dessen FAHRENHEIT 11/9 dabei behilflich sein.

Daß der Titel nun Moores Film FAHRENHEIT 9/11 aus dem Jahr 2004 paraphrasiert, ist dabei erst einmal einem Ego geschuldet, das allemal zum selbstverliebten Selbstzitat neigt. Andrerseits: „Unser System war schon kaputt, bevor Trump auftauchte“ erklärt Michael Moore jetzt in seiner aktuellen filmischen Systemkritik, in der somit ja Selbstzitat zwangsläufigerweise unvermeidlich wird.

FAHRENHEIT 11/9 beginnt mit einer Montage, die Szenen aus Trumps Wahlkampf 2016 aneinanderreiht. Was dabei einmal mehr klar wird: Amerika hat einen Mann zum Präsidenten gewählt, der keine Sekunde einen Hehl daraus machte, was und wer er ist. Nach diesem den Ton vorgebenden Rückblick folgt der Blick auf die Gegenwart. Moore zeigt Schüler, die für strengere Waffengesetze, und Lehrer, die für einen halbwegs anständigen Lohn und eine Krankenversicherung kämpfen. Er fährt in seine Heimatstadt, wo sich zur latenten Armut noch vergiftetes Trinkwasser gesellt, und halb unfähige, halb unwillige Behörden samt einem Gouverneur personifizierter Selbstgefälligkeit die unerquicklich repressiv-depressive Aura eines Ostblockstaates der frühen 80er erstehen lassen.

Nun ist es dabei gottlob nicht so, daß Moore nur in die eine Richtung feuert. Seine Kritik an den Demokraten könnte harscher nicht ausfallen, die am amerikanischen Selbstverständnis ebenso wenig. Moore: „Das Amerika, das ich retten will, hat es noch gar nicht gegeben.“ Eine selbstkritische Erkenntnis, die wohl mit dazu beitrug, daß Moore als Person in FAHRENHEIT 11/9 auffällig zurückhaltend auftritt. Dem Film tut das gut. Denn wenn der auch einmal mehr nicht frei von Simplifizierungen und pubertären Provokationen ist – an der Schockstarre dürfte er rütteln. Mindestens.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.