Wer ein hausgemachtes frittiertes Bohnen-Kichererbsen-Bällchen mit den trockenen Fertig-Mix-Variationen, die in den meisten Dönerbuden dieses Landes unter dem Namen Falafel verkauft werden, vergleichen durfte, wird wissen was ein echtes Geschmackserlebnis ist. Jedes Falafel-Büdchen in der arabischen Welt hat seinen eigenen Falafel-Meister mit einem ureigenen Rezept.
In Michel Kammouns Film, der in einer langen Nacht in Beirut spielt, hat dieser Meister nicht nur köstliche Falafel, sondern eine Lebensphilosophie anzubieten, die er Tou, einem jungen Libanesen, mit auf den Weg gibt: sei ein "Ausreißerstück", ein Falafel, das gegen die physikalischen Gesetze ins Öl abtaucht, um dann mit voller Wucht aus der Fritteuse zu springen.
Tou ist belustigt über die Ernsthaftigkeit des Mannes. Er führt ein kurzweiliges Leben. Gelegentliche Jobs für Freunde, ab und an ein kurzer Abstecher bei seiner Familie und jede Menge Parties gestalten seinen Alltag. Außerdem ist er gerade dabei, die schöne Yasmin zu erobern. Im Laufe jener Nacht ergeben sich jedoch Situationen, die oberflächlich betrachtet als Alltäglichkeiten einer Großstadt abgetan werden könnten, in Kammouns Szenarium allerdings die unterschwellige Anspannung seines Landes zeigen. Kurz nach dem Dreh wurde Premierminister Rafik Hariri ermordet, danach brach der Krieg Israels gegen den Libanon aus. Kammoun spricht von einer "beschönigten" Demokratie in seinem Land, die seit dem Bürgerkrieg im Libanon herrscht und der "Frustration" der jüngeren Generation, die mit den Folgen leben muß.
Tou erkennt seine Ohnmacht als auf einem Parkplatz ein Streit um einen angeblichen Kratzer am Auto eskaliert und der Besitzer des Wagens eine Waffe zieht und ihn damit niederschlägt. Die Handlung kippt in diesem Moment, und aus sorglosem Treibenlassen wird eine rasante Fahrt, auf der Suche nach einem Weg, der Demütigung zu entkommen. Kammoun gelingt es, den Stimmungsbogen seines sehr speziellen Roadmovies lyrisch und doch fast wie im Vorübergehen zu erzählen. Alle Personen, auf die Tou trifft, scheinen ein emotionales Pulverfaß in sich zu tragen. Mißtrauen ist allerorten spürbar.
Aber auch eine tiefverwurzelte Liebe zu diesem Land, seinen Geschichten und Menschen. Deshalb ist FALAFEL ein "Ausreißerstück" im besten Sinne und durch die wunderbare Filmmusik von Toufic Farroukh ein Geschmackserlebnis auf mehreren Ebenen.
Originaltitel: FALAFEL
Libanon 2006, 83 min
Verleih: mîtosfilm
Genre: Drama
Darsteller: Elie Mitri, Fadi Abi Samra, Gabrielle Bou Rached, Michel El Hourany
Regie: Michel Kammoun
Kinostart: 24.07.08
[ Susanne Schulz ]