Originaltitel: CASE 39
Kanada/USA 2009, 109 min
Verleih: Paramount
Genre: Horror, Thriller
Darsteller: Renée Zellweger, Ian McSahne, Jodelle Ferland, Bradley Cooper
Regie: Christian Alvart
Schon seinem Langfilmdebüt ANTIKÖRPER (2005) sah man an, wo Regisseur Christian Alvarts seine filmischen Inspirationen wurzeln hatte, und wohin er damit gerne wachsen würde. Nach Hollywood nämlich. Das ist ganz bestimmt nicht schlimm, aber eben auch nicht sonderlich originell. Aus dem einfachen Grund, weil sich darin immer ein Bekenntnis fürs (bestenfalls) akkurate Handwerk und gegen den Stil des Individuellen manifestiert. Was eine Industrie wie Hollywood vorrangig braucht, sind routinierte Techniker, keine inspirierten Künstler. Und FALL 39, Alvarts Hollywood-Einstieg, ist der typische Film eines Technikers.
Sozialarbeiterin Emily hat ein gutes Gespür dafür, wenn die Ruhe bei den Familien, die sie besucht, eine trügerische ist. Da sitzt Emily also vor der verhuschten Mutter, die säuselt, daß alles in Ordnung sei, während der Vater stumm daneben lauert. Verhindern kann er indes nicht, daß in einem unbeobachteten Moment Lilith, die zehnjährige Tochter, Emily zuflüstert, daß sie Angst vor Daddy habe. Der nämlich wolle sie in die Hölle schicken. Emily findet mit diesen Worten nur bestätigt, was sie schon vage ahnte. Allerdings hat sie ob der bloßen Aussage eines Kindes noch keine Handlungsbefugnis.
Mit dieser Grundkonstellation arbeitet Alvart sehr effizient. Nicht im Sinne eines latenten Unbehagens, das sich atmosphärisch verdichtet und schließlich entlädt. Sondern – ganz technisch eben – mit einer immer dynamischer werdenden Montage, die zwischen Emilys folgenden Recherchen und jenen ungeheuerlichen Vorbereitungen, die Liliths Eltern bezüglich ihrer Tochter treffen, hin und her springt. Tatsächlich nämlich will Daddy die kleine Lilith zur Hölle schicken. Allerdings hat er auch wirklich Grund dazu.
Und Emily, klassischer perfider Kniff, wird der rettende Engel, der Gutes will und das Böse rettet. Dann nämlich, wenn sie in – wieder perfekt montierten – letzten Sekunden Lilith vor einem Sterben bewahrt, dessen vorgesehene grausige Art und Weise hier freilich nicht verraten wird.
Verraten darf man indes, daß da schon der Film seinen inszenatorischen Zenit erreicht hat. Was folgt, ist eine voraussehbare Dämonen-Mär mit fallender Spannungskurve. Weil die erzählte Geschichte eine allzu bekannte ist, und weil die Regie es nicht vermag, dieses allzu Bekannte in eine Inszenierung zu betten, die eben über allzu Bekanntes hinausläuft.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.