D 2018, 103 min
FSK 6
Verleih: Salzgeber
Genre: Dokumentation, Biographie
Regie: Annekatrin Hendel
Kinostart: 16.08.18
Brasch ist ein Name, der im familiär sein wollenden Konstrukt DDR, nicht zuletzt auch bei den journalistischen Zaunzeugen aus dem deutschen Westen, einen besonderen Klang hatte. Fast ungläubig, ja sogar gereizt blickte etwa Georg Stefan Troller in seinem legendären Fernsehinterview (1977) auf den im „freiheitlichen“ Hafen BRD angelandeten Thomas Brasch, der sich partout zu keiner Hymne auf die neue Heimat links der Mauer hinreißen ließ. Sein Deutschland lag auf der anderen Seite – ob es ihn nun wollte oder nicht.
Diese trotzigen und regelmäßig enttäuschten Liebesbeziehungen zwischen Land und Leuten, zwischen väterlichen Autoritäten und jenen, die der Sozialismus noch zu erziehen gedachte, gehören zum Widerspruch DDR. Auch, weil ideologisches Wasser manchmal dicker war als Blut, wie man hier erfährt. Die Braschs, eine dynastische Ansammlung von Linientreuen, Ausbrechern und Zwischenwesen, allesamt Ost-Wiedergänger der Buddenbrooks, wie das Feuilleton der Regisseurin beflissen nachspricht, sind Teil dieser verdrehten Beziehungskiste – und werden im Dokumentarfilm von Annekatrin Hendel ausdrücklich unter diesen Vorzeichen vorgestellt. Horst Brasch, Vater der Sippe, in der Wolle gefärbter Kommunist mit jüdisch-katholischen Wurzeln und ranghoher Funktionär der Kulturbürokratie, lebte in der DDR wohl seinen politischen Traum. Und stieß doch an Grenzen der ach so unverbrüchlichen Solidarität unter Genossen. Seine Kinder – der Schriftsteller und Filmemacher Thomas, der Hörspielautor Peter, der Schauspieler Klaus und die Journalistin Marion – arbeiteten sich an anderen Grenzen ab. Am Vater sowieso.
Thomas ging „nach drüben“, Peter blieb und trank, Klaus beging Selbstmord, Marion schrieb ihren verstorbenen Brüdern den autobiographischen Familienroman „Ab jetzt ist Ruhe“ hinterher. Hendel trifft sie auf Lesereise in New York, das hier – um im Mannschen Verfallsbild zu bleiben – als Zauberberg den Blick über das Klein-Klein im Deutsch-Deutschland der Braschs erheben hilft. Und Hendel bemüht noch ein Bild. Genauer: Sie hat sich eines malen lassen, ein Familienporträt mit Hund und Blumenvase, Eltern, Kindern und Kindeskindern, das ihrem Film eine Art visuellen Anker gibt. Der wird gebraucht. Um zum Beispiel Unwuchten im Material, im Erzählwürdigen, auch im dokumentarischen Arbeitseifer auszubalancieren.
[ Sylvia Görke ]