Der deutsche Titel – eine treffliche Tautologie, denn es ist doch so: Wo Familie aufeinandertrifft, da kracht es bisweilen gehörig. Harmonie ist oft das Ziel, und die gehört umkämpft. Julie Delpys vierte Regiearbeit erzählt von einem solchen Fall: Oma feiert Geburtstag, also macht sich der ganze Clan im Jahr 1979 auf ins schöne Saint Malo, in die Regen-und-Sonnen-Bretagne. Durch die Brille der kleinen Albertine blicken wir aufs Geschehen, das maßgeblich ein witziges ist. Auf der Hinfahrt geht’s schon los, ein vermeintlich Perverser winkt der 11jährigen frech zu, noch dazu im spermafarbenen Pulli, wie Albertines Vater raschen Blickes erkennt. Schließlich finden sich alle ein: Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen, Mädchen, die zicken, Jungs, die mit Puppen spielen, und ein Halbwüchsiger, der Befehle erteilt und Zungenküsse übt. Nur die Jubilarin bewahrt lange ihre Ruhe. Doch nach milden Streitereien über musikalische Lagerzugehörigkeit (die Linken, die nichts auf Ferré, Brassens und Barbara kommen lassen, die anderen, die sich für den Kitsch von Sardou und CloClo erwärmen), nach dem verzehrten Lammbraten und manchem Glas Pastis kochen sie wieder hoch, die konträren Begehrlichkeiten, wenn es um Frankreich als Kolonialmacht, den Algerienkrieg und die Immigranten geht ...
Delpy hat Geschick im Ausloten des Komischen und der dazugehörigen Tragik, sie schielt unverhüllt zu Woody Allen, und doch ist sie keine plumpe Epigonin: In der Beobachtung der Menschen und ihrer Ticks agiert sie auf Augenhöhe, den Humor lotet sie derber aus, es geht schießlich um Frankreich in den 70ern. Dazu passen die entschieden zu engen Hosen, die floralen Blusenmuster, Omas Betonfrisur, lässige Pornobrillen und Wollpullis zu Tennissöckchen.
Die von Delpy gespielte Mutter Albertines und der dazugehörige Mann sind exemplarisch für das Ende der Antiautoritätsblase: Albertine interessiert sich – recht normal in ihrem Alter – für Jungs (davon wird eine anrührende Geschichte erzählt), ihre Eltern jedoch schicken sie in Kriegsfilme à la APOCALPYSE NOW, parlieren freimütig über den Busch anderer Frauen, erzählen Märchen von feucht werdenden Meerjungfrauen. Und trotzdem glimmt bereits da die heute wieder kultivierte neue Spießigkeit durch. Ein Verdienst des Films, daß er eben nicht nur die gute alte Zeit verherrlicht, sondern aufzeigt, wo sich Freiheit schon wieder an einem käsigen Neokonservatismus aufrieb.
Originaltitel: LE SKYLAB
F 2011, 114 min
FSK 12
Verleih: NFP
Genre: Komödie
Darsteller: Julie Delpy, Noémie Lvovsky, Vincent Lacoste
Regie: Julie Delpy
Kinostart: 09.08.12
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.