D 2017, 98 min
FSK 0
Verleih: 42film

Genre: Dokumentation, Schicksal

Regie: Duc Ngo Ngoc

Kinostart: 19.04.18

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Farewell Halong

Eine Seenomaden-Familie als Opfer der Gentrifizierung

Vor der malerischen Kulisse der vietnamesischen Felsenküste, die seit 1994 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, leben der 47jährige Nguyen Van Cuong und seine Frau Luu (45) auf einem selbstgebauten Floß in einem schwimmenden Dorf in der Ha Long Bucht. Beide sind als Nachfahren der See-Nomaden auf dem Wasser geboren und kennen kein anderes Leben. Sie leben vom Tourismus, ihr Verdienst ist zwar nicht groß, aber es reicht zum Leben, und die Dorfgemeinschaft hat einen starken Zusammenhalt. Nur die Tatsache, daß ihr 14jähriger Sohn schon lange auf dem Festland lebt, um dort zur Schule zu gehen, belastet die Eltern. Als die schwimmenden Dörfer 2014 von der vietnamesischen Regierung – offiziell aus Umweltschutzgründen, de facto sicherlich auch zur Steigerung des touristischen Potentials – geräumt werden, müssen Cuong und Luu aufs Festland ziehen.

Der junge deutsch-vietnamesische Regisseur Duc Ngo Ngoc begleitet die Familie durch die Zeit der Zwangsumsiedlung. In seinem ersten langen Dokumentarfilm setzt er inmitten der spektakulären Naturkulisse immer wieder die bescheidenen Lebensumstände so überdeutlich in Szene, daß man sich manches Mal wünscht, Entdeckungen selbst machen zu dürfen und nicht mit der Nase darauf gestoßen zu werden. Generell scheint die Inszenierung eine große Rolle zu spielen. Eine der Schlüsselszenen zeigt das langjährige Paar dabei, wie es in einem Fotostudio ein Hochglanz-Hochzeitsbild inszeniert, das schließlich an zentraler Stelle im neuen Haus aufgehängt werden soll. Es ist komisch und tragisch zugleich, Cuong und Luu dabei zuzusehen, wie sie ambitioniert daran scheitern, vor der Kamera einen frisch verliebten, glücklichen Eindruck zu machen. Photoshop wird es später richten, doch zufriedener werden die beiden dadurch nicht. Wie viele ihrer Nachbarn und Familienmitglieder sehnen sie sich nach ihrem alten Leben auf dem Meer.

Die allgegenwärtige Unzufriedenheit wird durch die sehr präsente Filmmusik des Komponisten Martin Kohlstedt noch akzentuiert. Der baßlastige Score des Weimarer Musikers prägt den Film, trägt aber in Kombination mit den teilweise exotischen Bildern auch dazu bei, aus den Protagonisten eher tragische Charaktere zu machen, statt sie einfach als Menschen zu zeigen, die vom auch hierzulande allgegenwärtigen Phänomen der Verdrängung betroffen sind.

[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.