Der gefühlt 100. Dokumentarfilm über Fassbinder hatte bis vor kurzem noch das Nach-Wort „Story.“ Unnötig wie ein Kropf, denn der Inhalt hält einem reißerischen Ansatz nicht stand. Auch mit Erkenntnisgewinn und aufregender Unterhaltung ist es, trotz bislang ungezeigten Archivmaterialien und einer sich aufwendig gebenden Montage, nicht so üppig bestellt.
Zur jüngsten Berlinale, also im Jahr des 70. Geburtstags des 1982 verstorbenen Regisseurs, war neben dem vorliegenden Streifen auch FASSBINDER – LIEBEN OHNE ZU FORDERN des Dänen Christian Braad Thomsen zu sehen, einem engen Freund und Wegbegleiter. Das ist eine echte Hommage, allein aus innerem Antrieb entstanden! Könnte also sein, es gelangt jetzt der falsche FASSBINDER ins Kino, vor allem, wenn man weiß, daß es davon eine zeitnahe TV-Ausstrahlung geben wird. Leinwandstart des anderen? Ungewiß, ob überhaupt.
Einigen der befragten Schauspieler, Schauspielerinnen und Team-Player gehören durchaus bewegende Momente. Hanna Schygulla rechnet den frühen Tod „ihres“ Fassbinders zum Leben der Anderen hoch: „Alles, was man sich Schönes sagen kann: Raus damit!“ Die im Alter unvermindert eindrucksvolle Aktrice sträubt sich nur kurz, wenn sie sagt: „Ich mag das nicht mehr, schlecht über ihn zu reden. Er war auch ein Engel. Er hat das Leben der Anderen interessanter gemacht, als es war.“
Da neben Schygulla nur weitere übliche Verdächtige auftreten, bleibt das längst gezeichnete öffentliche Fassbinder-Bild im Rahmen. Es hängt nicht einmal ein wenig schief danach. Irm Hermann preist „eine Intimität der Sonderklasse“, die sie mit ihm verbunden hätte, Volker Schlöndorff baut einen schönen Stinkefinger für die Kamera, denn „den hätte Fassbinder wohl gezeigt, wenn er gebeten worden wäre, über einen Regiekollegen zu sprechen.“ Harry Baer kann es sowieso nicht lassen, intim zu werden und den unbeteiligten Zuschauer in den Fremdschäm-Modus zu schicken.
Besonders heikel aber ist – wie schon bei Annekatrin Hendels Vorgängerfilm ANDERSON – das aufdringliche Vorhandensein der Regisseurin, meist über hör-, teils sichtbares, indes kaum essentielles Nachhaken in Interviewsituationen, korrespondierend mit glatt anbiedernden handwerklichen „Einfällen“: animierte Storyboards, Rammstein im Soundtrack, aufwendiges Setting im Studio. All das kaschiert nur das Fehlen von Mut und Tiefe für den flüchtigen Betrachter.
D 2014, 92 min
Verleih: Real Fiction
Genre: Dokumentation, Biographie
Regie: Annekatrin Hendel
Kinostart: 07.05.15
[ Andreas Körner ]