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Félicité

Ein Hohelied – wirklichkeitsnah und lebenssatt

Wenn Tabu Süßholz raspelt, klingt das ungefähr so: „Félicité, Du bist schön wie Brombeerblätter. Wenn sie lachen, sieht sie niemand. Genauso, wie wenn du lachst.“ Klar, schon irgendwie reizend. Oder nervend. Hängt wahrscheinlich von der Tagesform ab. Und bei Félicité läßt die grade zu wünschen übrig, da kann ihr Verehrer Tabu sich ins Zeug legen, wie er will. Der Kummer plagt sie, die Nachtklubsängerin und alleinerziehende Mutter. Nach einem Motoradunfall liegt ihr Sohn schwer verletzt im Krankenhaus. Eine Operation wäre notwendig, findet aber nicht statt, weil Félicité das notwendige Geld dafür nicht hat.

Ein Film als Hohelied auf eine starke Frau. Nach Kinshasa führt FÉLICITÉ, also in die Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, in die nach Lagos zweitgrößte Metropole auf dem afrikanischen Kontinent. In einen Moloch, in dem das Leben wild pulsiert und Félicité um das Leben ihres Sohnes kämpft. Nach den Nächten auf der Bühne jagt sie durch die Stadt. Schulden eintreiben, Darlehen erhandeln, selbst für einen demütigenden Bittgang zu einem so reichen wie abweisenden Funktionsträger ist Félicité bereit.

Daß sie dabei nichts von ihrer Würde einbüßt, wirkt nachgerade wie ein Wunder. Und verdankt sich natürlich auch der ganz unmittelbaren Präsenz und Aura der kongolesischen Theaterschauspielerin Véro Tshanda Beya, die in ihrer ersten Filmrolle diese Félicité auf eine Art zu geben vermag, ob dem das abgedroschene Adjektiv „natürlich“ nur ungefähr greift. Wie auch die Floskel vom „Porträt einer starken Frau“ zwar ganz und gar nicht verkehrt ist, aber eben all die wunderbaren Nuancen, Widersprüche, Ecken und Kanten ausklammert, die sich hier aufzeigen.

Dem entspricht, daß Regisseur Alain Gomnis erst eine am Cinéma vérité geschulte Unmittelbarkeit dokumentarischer Beobachtung bedient (stark die rhythmisch hart geschnittenen Nachtklub-Impressionen), um im Fortlauf der Handlung in eine Erzählung der filmischen Oszillation zu driften. Das ist alles andere als formale Willkür und findet sein Echo auch darin, wie sich musikalische Prämissen verschieben; das Kinshasa-Pop-Treiben im Nachtklub etwa wird mit Arvo Pärts „Fratres“ oder den „Sieben Magnificat-Antiphonen“ unterlegt. Was ein großartiger Effekt ist – und wie nebenher, ohne Aufdringlichkeit auch eine spirituelle Dimension anreißt, die diesem lebenssatten und wirklichkeitsnahen Film wunderbar steht.

Originaltitel: FÉLICITÉ

F/Belgien/Senegal/D/Libanon 2017, 123 min
FSK 6
Verleih: Grandfilm

Genre: Drama

Darsteller: Véro Tshanda Beya, Papi Mpaka

Regie: Alain Gomis

Kinostart: 05.10.17

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.